Episodes
Tuesday Nov 26, 2019
014 - (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 2
Tuesday Nov 26, 2019
Tuesday Nov 26, 2019
Zweiter Teil der Fragestellung: Was ist Pseudowissenschaft und wie grenzt sie sich von »richtiger« Wissenschaft ab. Und außerdem: warum ist das überhaupt wichtig? Wem und welcher Aussage können wir vertrauen?
Eine Abgrenzung ist aus philosophischer Sicht interessant, aus wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht wichtig. Ohne eine einigermaßen saubere Trennung besteht die Gefahr dass wir
- unsere Aufmerksamkeit und Zeit verschwenden
- sachliche falsche politische Entscheidungen treffen
- viel Geld verschwendet und Leid angerichtet wird
- Menschen werden betrogen oder getäuscht werden
Anhand einiger Beispiele wie Astronomie im Vergleich zu Astrologie, Anthroposophie, Homöopathie, Kreationismus und anderen werden die Prinzipien erklärt.
Die Abgrenzung ist aber alles andere als einfach. Zunächst werden elementare Prinzipien moderner Naturwissenschaften angesprochen, wie die Idee des Naturalismus aber auch die Frage, wo die Grenzen der wissenschaftlichen Erkenntnis liegen können. Dann gehen wir auf einige fundamentale philosophische Kriterien wissenschaftlicher Aussagen ein, wie:
- Ockhams Rasiermesser
- Gültigkeit von wissenschaftlichen Aussagen
- Induktion und Deduktion (oder: wie kommen wir zu Gesetzmäßigkeiten und wie wenden wir diese an?)
- Nachvollziehbarkeit und Prüfbarkeit (auch mit der Idee des Falsifikationsimsus)
- und nicht zuletzt: wie prüfen wir Behauptungen?
»In früheren Zeiten wurde der Träger der Theorie ausgeschieden. Jetzt können wir unsere Theorien an unserer Statt für uns sterben lassen.«, Karl Popper
Wir werden aber auch feststellen, dass in den modernen, komplexen und stark vernetzten Wissenschaften, einfache Ansätze nicht mehr ohne weiteres gültig sind – wie kommen wir hier voran? Eine wesentliche Indikation hat der Philosoph Betrand Russel schon vor längerer Zeit gegeben:
»Wissenschaft hat, seit der Zeit der arabischen Wissenschaft zwei Funktionen, sie ermöglicht uns Dinge zu wissen und sie ermöglicht uns Dinge zu tun«, Betrand Russel
Nach diesen sehr prinzipiellen Fragen kommen wir zu ganz konkreten und praktischen Anhaltspunkten, wie es uns auch als »normalen« Menschen ganz praktisch gelingen kann, glaubwürdige Aussagen und Systeme von unglaubwürdigen Pseudowissenschaften zu unterscheiden. Angesichts der anstehenden Herausforderungen und Probleme scheint dies von größter Bedeutung zu sein um unsere Kräfte in die richtige Richtung zu lenken.
Referenzen
Philosophische Betrachtungen
- Alan Chalmers, What is this thing called science, Open University Press (2013)
- Adam Morton, A Guide Through the Theory of Knowledge
- Carol Tavris, Elliot Aronson, Mistakes Were Made (But Not by Me): Why We Justify Foolish Beliefs, Bad Decisions, and Hurtful Acts
- Massimo Pigliucci, Nonsense on Stilts
- Karl Popper, Alles Leben ist Problemlösen
- Karl Popper, Auf der Suche nach einer besseren Welt
- Bertrand Russell, The Impact of Science on Society
- Stanford Encyclopaedia on Philosophy, Pseudoscience
- Mario Bunge, Finding Philosophy in Social Science. New Haven, CT: Yale University Press (1996)
Skeptische Literatur
- Carl Sagan, The Demon Haunted World
- Believing Scripture but Playing by Science’s Rules, New York Times, Feb. 12, 2007
- How Reliable are Psychological Studies?, The Atlantic (2015)
- Reproducibility Project: Psychology
- Astrologie
- Peter Hartmann, Martin Reuter, Helmuth Nyborg, The relationship between date of birth and individual differences in personality and general intelligence: A large-scale study, Personality and Individual Differences 40 (2006) 1349–1362
- PSIRAM Wiki zu Astrologie
Medizin
- Ethnic difference
- Autismus und Impfung (Wakefield Studie)
- Johan Hari, Lost Connection. Uncovering the Real Causes of Depression and the Unexpected Solutions
Tuesday Nov 12, 2019
013 - (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 1
Tuesday Nov 12, 2019
Tuesday Nov 12, 2019
Erster Teil der Fragestellung: Was ist Pseudowissenschaft und wie grenzt sie sich von »richtiger« Wissenschaft ab. Und außerdem: warum ist das überhaupt wichtig? Wem und welcher Aussage können wir vertrauen?
Eine Abgrenzung ist aus philosophischer Sicht interessant, aus wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht wichtig. Ohne eine einigermaßen saubere Trennung besteht die Gefahr dass wir
- unsere Aufmerksamkeit und Zeit verschwenden
- sachliche falsche politische Entscheidungen treffen
- viel Geld verschwendet und Leid angerichtet wird
- Menschen werden betrogen oder getäuscht werden
Anhand einiger Beispiele wie Astronomie im Vergleich zu Astrologie, Anthroposophie, Homöopathie, Kreationismus und anderen werden die Prinzipien erklärt.
Die Abgrenzung ist aber alles andere als einfach. Zunächst werden elementare Prinzipien moderner Naturwissenschaften angesprochen, wie die Idee des Naturalismus aber auch die Frage, wo die Grenzen der wissenschaftlichen Erkenntnis liegen können. Dann gehen wir auf einige fundamentale philosophische Kriterien wissenschaftlicher Aussagen ein, wie:
- Ockhams Rasiermesser
- Gültigkeit von wissenschaftlichen Aussagen
- Induktion und Deduktion (oder: wie kommen wir zu Gesetzmäßigkeiten und wie wenden wir diese an?)
- Nachvollziehbarkeit und Prüfbarkeit (auch mit der Idee des Falsifikationsimsus)
- und nicht zuletzt: wie prüfen wir Behauptungen?
»In früheren Zeiten wurde der Träger der Theorie ausgeschieden. Jetzt können wir unsere Theorien an unserer Statt für uns sterben lassen.«, Karl Popper
Wir werden aber auch feststellen, dass in den modernen, komplexen und stark vernetzten Wissenschaften, einfache Ansätze nicht mehr ohne weiteres gültig sind – wie kommen wir hier voran? Eine wesentliche Indikation hat der Philosoph Betrand Russel schon vor längerer Zeit gegeben:
»Wissenschaft hat, seit der Zeit der arabischen Wissenschaft zwei Funktionen, sie ermöglicht uns Dinge zu wissen und sie ermöglicht uns Dinge zu tun«, Betrand Russel
Nach diesen sehr prinzipiellen Fragen kommen wir zu ganz konkreten und praktischen Anhaltspunkten, wie es uns auch als »normalen« Menschen ganz praktisch gelingen kann, glaubwürdige Aussagen und Systeme von unglaubwürdigen Pseudowissenschaften zu unterscheiden. Angesichts der anstehenden Herausforderungen und Probleme scheint dies von größter Bedeutung zu sein um unsere Kräfte in die richtige Richtung zu lenken.
Referenzen
Philosophische Betrachtungen
- Alan Chalmers, What is this thing called science, Open University Press (2013)
- Adam Morton, A Guide Through the Theory of Knowledge
- Carol Tavris, Elliot Aronson, Mistakes Were Made (But Not by Me): Why We Justify Foolish Beliefs, Bad Decisions, and Hurtful Acts
- Massimo Pigliucci, Nonsense on Stilts
- Karl Popper, Alles Leben ist Problemlösen
- Karl Popper, Auf der Suche nach einer besseren Welt
- Bertrand Russell, The Impact of Science on Society
- Stanford Encyclopaedia on Philosophy, Pseudoscience
- Mario Bunge, Finding Philosophy in Social Science. New Haven, CT: Yale University Press (1996)
Skeptische Literatur
- Carl Sagan, The Demon Haunted World
- Believing Scripture but Playing by Science’s Rules, New York Times, Feb. 12, 2007
- How Reliable are Psychological Studies?, The Atlantic (2015)
- Reproducibility Project: Psychology
- Astrologie
- Peter Hartmann, Martin Reuter, Helmuth Nyborg, The relationship between date of birth and individual differences in personality and general intelligence: A large-scale study, Personality and Individual Differences 40 (2006) 1349–1362
- PSIRAM Wiki zu Astrologie
Medizin
- Ethnic difference
- Autismus und Impfung (Wakefield Studie)
- Johan Hari, Lost Connection. Uncovering the Real Causes of Depression and the Unexpected Solutions
Thursday Oct 17, 2019
012 - Wie wir die Zukunft entdeckt und wieder verloren haben
Thursday Oct 17, 2019
Thursday Oct 17, 2019
In welcher Vorstellung von Zeit leben wir, beziehungsweise lebten wir? Die Vorstellung von Zeit, Geschichte, Vergangenheit und Zukunft einer Gesellschaft oder einer Kultur ist eine wesentliche Frage für den Umgang mit Erkenntnis, Technologie und Politik. Dies ist historisch interessant hat aber ebenso erhebliche Auswirkungen auf die Art und Weise wie sich technischer und wirtschaftlicher Fortschritt entwickelt und unsere heutige Kultur gestaltet hat. Wie gehen wir mit unserer Zukunft um? Das hängt in starkem Maße von unserem Bild der Zeit ab.
Eine lineare Zeit mit Vergangenheit und offener Zukunft, die vor allem auch von Menschen beeinflussbar und gestaltbar ist eher eine moderne, zeitgemäße Vorstellung von Zeit, die wir nicht in allen Epochen der menschlichen Entwicklung finden. Vor der Aufklärung war etwa die europäische Kultur sehr an der Antike sowie an religiösen Mythen orientiert:
»Früher war nicht einfach nur alles besser, sehr viel früher war sogar nahezu alles perfekt.«, Achim Landwehr
Also ein Leben in der Orientierung einer vermeintlich perfekten Vergangenheit:
»Der Fortschritt musste also immer ein Rückschritt sein zu den Alten, den Antiken, den Vorfahren«, Achim Landwehr
Philip Blom schreibt, Ende 16. Jahrhundert sah man die »ruina mundi« kommen, den Untergang der Welt. Natürliche Beobachtungen wurden durch Zitate Bibel begründet, Naturkatastrophen theologisch interpretiert.
»Seit der Antike gilt: es ist egal wann sie geboren sind oder sterben, es läuft immer dasselbe Stück – Dies stimmt seit 200 Jahren nun nicht mehr.«, Peter Sloterdijk
Erst ab 1700 wird es für die Menschen erst langsam zur Möglichkeit, dass sich die Zukunft durch eigenes Handeln beeinflussen lässt. Moderne Wissenschaft beginnt sich somit in etwa ab der Neuzeit zu entwickeln und die empirischen Wissenschaften, wie Physik und Chemie beginnen langsam Form anzunehmen und nehmen ab dem 18. und 19. Jahrhundert enorm an Fahrt auf.
Heute leben wir in zahlreichen Widersprüchen, zwischen der Alternativlosigkeit politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen, der Hilflosigkeit bei ethisch schwierigen Fragen und einem neuen Hyper-Individualismus. Welche Rolle kann der Einzelne überhaupt noch wahrnehmen?
»Tatsächlich glauben die meisten Menschen in den reichen Ländern, daß es ihren Kindern schlechter gehen wird als ihnen.« Rutger Bregman, Zygmunt Bauman
Der Philosoph Byung-Chul Han beobachtet:
»Wir leben in einer besonderen historische Phase, in der die Freiheit selbst Zwänge hervorruft. Die Freiheit des Könnens erzeugt sogar mehr Zwänge als das disziplinarische Sollen, das Gebote und Verbote ausspricht. Das Soll hat eine Grenze. Das Kann hat dagegen keine.«
Wir leben, so hat es den Anschein, zwischen Verwirrung, vermeintlichem Zwang und fragwürdigen Retropien.
Aber ist das alles überhaupt begründet? Gibt es einen Ausweg aus diesem Dilemma?
Referenzen
- Thomas Maissen, Vom Werden der Zukunft, Spektrum der Wissenschaft, September 2010
- Achim Landwehr, Geburt der Gegenwart: Eine Geschichte der Zeit im 17. Jahrhundert
- Philip Blom, Die Welt aus den Angeln
- Zygmunt Bauman, Retrotopia
- Rushkoff, Douglas. Present Shock: When Everything Happens Now
- Peter Sloterdijk, Gespräch in den Sternstunden Philosophie
Weitere Referenzen
- Carl Becker, die Welt von Morgen
- Byung-Chul Han, Psychopolitik
- Yuval Harari, Homo Deus
- Jared Diamond: Lessons from Hunter-Gatherers
- Shoshana Zuboff, Surveillance Capitalism
- Pierre Casse, Leadership without concessions (2015)
Wednesday Sep 11, 2019
011 - Ethik, oder: Warum wir Wissenschaft nicht den Wissenschaftern überlassen sollten!
Wednesday Sep 11, 2019
Wednesday Sep 11, 2019
Ethik und Wissenschaft – eine überflüssige Episode?
Es gibt Wissenschafter, die sich auf die Position zurückziehen: Wissenschaft wäre nur Erkenntnisgewinn, Ethik beginnt bestenfalls mit der Anwendung. Ethik und Philosophie wären recht überflüssige Tätigkeiten, lästig und nicht hilfreich.
Ich teile diese Ansicht nicht – ich hoffe auch Sie nicht, nachdem Sie diese Episode gehört haben.
Zwei Thesen zu Beginn:
- Nassim Taleb: »Wissenschaft ist großartig, aber einzelne Wissenschafter sind gefährlich«
- Daraus folgt aus meiner Sicht: wir dürfen Wissenschaft als Gesellschaft keinesfalls den Wissenschaftern alleine überlassen sondern müssen uns energisch einbringen
Warum ist das so?
Wir beginnen mit einem kurzen Blick in die jüngere Vergangenheit bevor wir uns in die Gegenwart und Zukunft begeben. Dazu drei wesentliche Aspekte:
- Erkenntnisse die unter ethisch sehr fragwürdigen Rahmenbedingungen entstanden sind (»Nazi« Forschung, Experimente an Menschen in den 1960er und 1970er Jahren!) – wie gehen wir damit um?
- Wissenschafter mit problematischen politischen oder ethischen Ansichten (wie Martin Heidegger, Johannes Stark und Philipp Lenard, die Agitatoren einer deutschen versus »jüdischen« Physik)
- Und der Blick in Gegenwart und Zukunft: wie gehen wir mit dem enormen Potential wissenschaftlicher Möglichkeiten um, die aber ethisch umstritten sind, z.B. die Stammzellenforschung, aber auch mit ethischen Herausforderungen, die sich aus unserem kapitalistischen System ergeben. Dies betrifft etwa die Pharma-Industrie, aber auch sehr stark die Digitalisierung und Innovationen im Bereich der Informatik.
In 20 Minuten wie immer, ein erster Gedankengang, den wir später noch vertiefen können.
Referenzen
Eduard Pernkopf und der medizinische Atlas
- Gustav Spann, Untersuchungen zur Anatomischen Wissenschaft in Wien 19381945, Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Jahrbuch 1999
- Chris Hubbard, Eduard Pernkopf’s atlas of topographical and applied human anatomy: The continuing ethical controversy, The Anatomical Record, Volume 265, Issue 5, pages 207–211, 15 October 2001
- William E. Seidelman, Medicine and Murder in the Third Reich, Jewish Virtual Library
- Eduard Pernkopf in SA Uniform und Hitlergruß vor der Vorlesung (Dokumentationsarchiv des österr. Widerstands)
- Mary Roach, Stiff: The Curious Lives of Human Cadavers, W. W. Norton & Company (May 2004)
Tuskegee Syphillis Studie
- CDC Zusammenfassung (inkl. Entschuldigung des US Präsidenten Bill Clinton 1997)
- Christian Reinboth, Das Tuskegee-Experiment und die Grenzen medizinischer Forschung
Jüdische Physik und »Nazi-Wissenschafter«
- SEP: Martin Heidegger
- Armin Hermann, die Jahrhundertwissenschaft; Werner Heisenberg und die Geschichte der Atomphysik, rororo (1993)
- Nobel Prize: Philipp Lenard
- Nobel Prize: Johannes Stark
- beachten Sie die nur minimale Erwähnung der Thematik in der Vorstellung der Wissenschafter auf den Seiten des Nobelpreises.
Digitalisierung
- Shoshana Zuboff, Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus (2018)
- Moshe Y. Vardi, To Serve, Communications of the ACM, July 2019, Vol. 62 No. 7, Page 7
Verschiedenes
Monday Aug 26, 2019
010 - Komplizierte Komplexität
Monday Aug 26, 2019
Monday Aug 26, 2019
”Wie alles sich zum Ganzen webt, Eins in dem andern wirkt und lebt“, Goethe, Faust, erste Szene
Ich habe in vorigen Episoden immer wieder den Begriff der »Komplexität« verwendet. Es ist daher höchst an der Zeit dass wir uns eine erste Episode mit diesem Begriff auseinandersetzen.
In dieser Episode stelle ich drei Fragen:
- Ist Komplexität und Kompliziertheit dasselbe?
- Was ist Komplexität, genauer: wo finden wir komplexe Systeme und wie verhalten sie sich
- Was bedeutet das für die wissenschaftliche und rationale Betrachtung der Welt, vor allem auch für die Herausforderungen der Zukunft?
Am Anfang steht die Frage: wie verhalten sich eigentlich die wichtigen Systeme, die unser Leben ermöglichen?
»Die Natur macht keine Sprünge«, Carl von Linné
Ist das so? Einfache mechanische und simple Systeme zeigen einfache Ursachen/Wirkungszusammenhänge – im Gegensatz zu komplexen Systemen:
- Wieso wird die Sahara nach langer Zeit mit stabilem Bewuchs in kurzer Zeit zu einer Wüste?
- Warum kollabieren Seen oder Korallenriffe
- Wie sieht es mit der Vorhersagekraft von technischen und sozialen Systemen aus?
- Wer hat den Fall der Berliner Mauer, Flash-Crashs an der Börse oder Donald Trump als Präsidenten korrekt vorhergesagt?
”In der großen Verkettung der Ursachen und Wirkungen darf kein Stoff, keine Thätigkeit, isoliert betrachtet werden.“, Alexander von Humboldt im 18. Jahrhundert
Wir leben also nicht in einer Welt der simplen, sondern der wicked problems. Wie kommt das? Fragen wir konkreter nach
- Was ist ein System?
- Was sind Systemgrenzen?
- …und dann noch Skaleneffekte?
Kompliziert oder komplex? Fassen wir einfach nochmals zusammen: was ist jetzt der Unterschied?
Warum interessiert uns das alles? Heute und in der Zukunft?
Wir kämpfen nicht nur mit dem drohenden Kollaps lebenswichtiger natürlicher Systeme, heute werden auch die »künstlichen«, die technischen und sozialen Systeme immer komplexer. So ist es extrem wichtig zu unterscheiden ob wir es mit komplexen Systemen, komplexen Problemen zu tun haben denn sie
- verhalten sich sehr unterschiedlich
- müssen mit unterschiedlichen Methoden untersucht werden
- Management, Kontrolle und Fehlersuche in solchen Systeme erfordert ebenfalls sehr unterschiedliche Strategien
Was ist daher das größte Problem unserer Zeit? Das größte Problem ist es, wenn Menschen fragen, welches das größte Problem unserer Zeit ist.
Denn fast alle Herausforderungen die unsere Zukunft bestimmen sind in komplexer Weise miteinander verbunden. Wir lösen sie also mehr oder weniger gemeinsam, oder gar nicht
Und wie immer, sehen wir nach dieser Episode betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen.
Referenzen
- Rich Hickey: Simple made easy
- Donella Meadows, Thinking in Systems, Chelsea Green Publishing (2008)
- Warren Weaver, Science and Complexity, American Scientist, 36: 536 (1948)
- Andrea Wulf, Alexander Humboldt
- G. Cumming, Unifying Research on Social-Ecological Resilience and Collapse (2017)
- Chris Clearfield, Meltdown: Why our systems fail and what we can do about it
- Charles Perrow, Normale Katastrophen
- Rupert Riedl, Strukturen der Komplexität (2000)
- Nassim Taleb, Skin in the Game
- Peter Kruse, next practice. Erfolgreiches Management von Instabilität
Monday Aug 12, 2019
009 - Abstraktion: Platos Idee, Kommunismus und die Zukunft
Monday Aug 12, 2019
Monday Aug 12, 2019
Eine nächste »Guerilla-Attacke« auf die Festung Wissenschaft, mit Blick in die Zukunft:
Welche Rolle spielt Abstraktion für das moderne, wissenschaftliche Denken?
(1) Wir beginnen mit der Frage, wie sich das Denken vom Speziellen zum Allgemeinen, oder vom »Mythos« zum »Logos« entwickelt hat, besuchen dazu das antike Griechenland, Plato, Aristoteles und die Pythagoräer.
(2) Dann machen wir einen Zwischenstopp während der kommunistischen Revolution in Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Entfernte Regionen der Sowjetunion wurden durch radikale soziale und ökonomische Änderungen gezwungen. Dazu gehört auch ein Bildungsprogramm, das die entferntesten russischen Regionen mit einschließt. Der russische Psychologe Alexander Luria begleitet diese Entwicklung und sieht dies als »natürliches Experiment«. Er fragt sich wenn man die Arbeit der Menschen verändert und ihnen mehr Abstraktion beibringt: welchen Einfluss wird das auf ihr Denken und ihren Geist haben?
»Vormoderne Menschen sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht, moderne Menschen die Bäume nicht im Wald.«
(3) Wir kehren dann in die Gegenwart um zu sehen, warum Abstraktion fundamental für einen erfolgreichen Umgang mit unserer Zukunft ist
- John Dewey: Über das Lösen von Problemen
- Flynn Effekt – und unser Lernen von der komplexen Umgebung in der wir uns bewegen
- Wie reagieren Schule und Universität?
Und zuletzt stellt Franz Wuketits die These in den Raum, dass Abstraktion für unseren Umgang mit der Zukunft fundamental ist.
Referenzen
Griechenland
- David C. Lindberg, The Beginnings of Western Science, Univ. of Chicago Press (1992)
- Luciano de Crescenco, Geschichte der griechischen Philosophie, Diogenes (2016)
- Günter Küppers (Hrsg.), Chaos und Ordnung, Formen der Selbstorganisation in Natur und Gesellschaft, Reclam (1996)
Die sozialistische Revolution und die soziologische Beobachtung
- David J. Epstein, Range, Penguin (2019)
- J. R. Flynn, The Mean IQ of Americans: Massive Gains 1932 to 1978, Psychological Bulletin 95, no. 1 (1984)
- Alexander Luria, Cognitive Development. Its Cultural and Social Foundations, Harvard University Press (1976)
Lernen, Gesellschaft und Zukunft
- John Dewey, Theory of Inquiry (1938)
- Franz M. Wuketits, Animal irrationale. Eine kurze (Natur-)Geschichte der Unvernunft, edition unseld (2013)
Weiteres
- Nassim Taleb, Fooled by Randomness, Penguin (2007)
- Alfred North Whitehead, The Education of an Englishman, The Atlantic Monthly, Vol. 138 (1926), p. 192.
Monday Jul 29, 2019
008 - Alles wird besser... oder nicht? Teil 2
Monday Jul 29, 2019
Monday Jul 29, 2019
»Keine Lüge, die etwas auf sich hält, enthält Unwahres. Was letztlich präpariert wird, ist vielmehr das Weltbild als Ganzes […] Dieses Ganze ist dann weniger wahr, als die Summe der Wahrheiten seiner Teile […] Die Aufgabe derer, die uns das Weltbild liefern, besteht also darin, aus vielen Wahrheiten ein Ganzes für uns zusammenzulügen.«, Günther Anders
»Menschen sind die Produkte der Geschichten, die sie über sich selbst erzählen, die ihre Gemeinschaft über sich erzählt. Fakten spielen dabei höchstens eine untergeordnete Rolle.«, Philipp Blom
»Bewegungen, welche die Welt zu verändern suchen, beginnen oft damit, dass sie die Geschichte umschreiben und die Menschen damit in die Lage versetzen, sich die Zukunft neu auszumalen.«, Yuval Noah Harari
- Ohne Wissenschaft und Technologie kann es keine Zukunft für 9-11 Milliarden Menschen geben.
- Wir haben natürliche Ressourcen weit überstrapaziert und müssen hier dramatisch gegensteuern
- Auch die menschlichen Systeme haben eine Komplexität erreicht, die wir teilweise nicht mehr im Griff haben. (Komplexität ist nicht dasselbe wie Kompliziertheit – was ist der Unterschied?)
- Die Kernfrage der nächsten Jahrzehnte wird also wahrscheinlich lauten: Wie können wir die wesentlichen ökologischen wie gesellschaftlichen Systeme gesund halten wesentlich mehr Resilienz ins System bringen und dabei die Fortschritte, die die Menschheit unbestritten erreicht hat nicht zu einem Einsturz bringen.
- Hans Rosling, Factfulness
- Steven Pinker, Gewalt: Eine neue Geschichte der Menschheit
- Gregg Easterbrook, It's Better Than It Looks: Reasons for Optimism in an Age of Fear
- George Monbiot, Out of the Wreckage
- Philipp Blom, Was auf dem Spiel steht
- Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen (Teil 1 und Teil 2)
- Kate Raworth, Doughnut Economics
- Johan Rockström et al, Planetary Boundaries (e.g. Nature: A safe operating space for humanity)
- Big World Small Planet, Johan Rockström, Matthias Klum
- Johan Rockström, TED Talk: Let the environment guide our development
- Yuval Noah Harari, Homo Deus
- Yuval Noah Harari, 21 Lessons for the 21st Century
- Michael Specter, Denialism
- Jared Diamond, Kollaps
- Norman Borlaug, Nobelpreise Acceptance Speech
- Jeffrey D. Sachs, Kommentar: Es ist nicht genug, einfach mehr Nahrung zu produzieren, Spektrum der Wissenschaft, 11.01.2010
- Andrea Wulf, Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur
- Robert B. Reich, Rettet den Kapitalismus
- Tim Jackson, Prosperity without Growth
Monday Jul 15, 2019
007 - Alles wird besser... oder nicht? Teil 1
Monday Jul 15, 2019
Monday Jul 15, 2019
»Keine Lüge, die etwas auf sich hält, enthält Unwahres. Was letztlich präpariert wird, ist vielmehr das Weltbild als Ganzes […] Dieses Ganze ist dann weniger wahr, als die Summe der Wahrheiten seiner Teile […] Die Aufgabe derer, die uns das Weltbild liefern, besteht also darin, aus vielen Wahrheiten ein Ganzes für uns zusammenzulügen.«, Günther Anders
»Menschen sind die Produkte der Geschichten, die sie über sich selbst erzählen, die ihre Gemeinschaft über sich erzählt. Fakten spielen dabei höchstens eine untergeordnete Rolle.«, Philipp Blom
»Bewegungen, welche die Welt zu verändern suchen, beginnen oft damit, dass sie die Geschichte umschreiben und die Menschen damit in die Lage versetzen, sich die Zukunft neu auszumalen.«, Yuval Noah Harari
- Ohne Wissenschaft und Technologie kann es keine Zukunft für 9-11 Milliarden Menschen geben.
- Wir haben natürliche Ressourcen weit überstrapaziert und müssen hier dramatisch gegensteuern
- Auch die menschlichen Systeme haben eine Komplexität erreicht, die wir teilweise nicht mehr im Griff haben. (Komplexität ist nicht dasselbe wie Kompliziertheit – was ist der Unterschied?)
- Die Kernfrage der nächsten Jahrzehnte wird also wahrscheinlich lauten: Wie können wir die wesentlichen ökologischen wie gesellschaftlichen Systeme gesund halten wesentlich mehr Resilienz ins System bringen und dabei die Fortschritte, die die Menschheit unbestritten erreicht hat nicht zu einem Einsturz bringen.
- Hans Rosling, Factfulness
- Steven Pinker, Gewalt: Eine neue Geschichte der Menschheit
- Gregg Easterbrook, It's Better Than It Looks: Reasons for Optimism in an Age of Fear
- George Monbiot, Out of the Wreckage
- Philipp Blom, Was auf dem Spiel steht
- Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen (Teil 1 und Teil 2)
- Kate Raworth, Doughnut Economics
- Johan Rockström et al, Planetary Boundaries (e.g. Nature: A safe operating space for humanity)
- Big World Small Planet, Johan Rockström, Matthias Klum
- Johan Rockström, TED Talk: Let the environment guide our development
- Yuval Noah Harari, Homo Deus
- Yuval Noah Harari, 21 Lessons for the 21st Century
- Michael Specter, Denialism
- Jared Diamond, Kollaps
- Norman Borlaug, Nobelpreise Acceptance Speech
- Jeffrey D. Sachs, Kommentar: Es ist nicht genug, einfach mehr Nahrung zu produzieren, Spektrum der Wissenschaft, 11.01.2010
- Andrea Wulf, Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur
- Robert B. Reich, Rettet den Kapitalismus
- Tim Jackson, Prosperity without Growth
Monday Jul 01, 2019
006 - Messen, was messbar ist?
Monday Jul 01, 2019
Monday Jul 01, 2019
Was ist Wissenschaft?
Diese Frage ist erstaunlich schwierig zu beantworten und wir werden uns aus dem Hinterhalt nähern und das Ziel von mehreren Seiten angreifen. Als Basis von empirischen Wissenschaften, also etwa den Naturwissenschaften, gelten Experimente, Daten und messbare Fakten. Versuchen wir unser Glück einmal an dieser Stelle.
In dieser Episode ist die ergänzende Frage, die für unsere Zukunft von großer Bedeutung ist: wie hilft sie uns in der Entscheidungsfindung? Denn wir wollen uns nicht alleine in der Theorie verlieren.
»Messen was messbar ist, messbar machen was nicht messbar ist« – fälschlich Galileo zugeschrieben – gilt als eines der traditionellen Prinzipien empirischer Wissenschaft.
Schon in der Antike wurde fallweise empirisch gearbeitet, wir sehen das am Beispiel von Hippokrates und der Beschreibung der Malaria. Eine wirklich systematische, über verschiedene Disziplinen gehende empirische und statistische Betrachtung der Welt ist allerdings eher der Neuzeit zuzuschreiben.
Wir werfen in dieser Episode beispielhaft den Blick auf Erklärungen der Pest im Mittelalter sowie auf Cholera und medizinische Versorgung im 19. Jahrhundert, am Beispiel von Dr. John Snow und Florence Nightingale.
Zuletzt reißen wir die wichtige Frage an: wie sieht das Thema Daten und Entscheidungen eigentlich heute aus? Stichwort: Datenüberfluss, Big Data, künstliche Intelligenz? Diese Fragen werden uns noch weiter beschäftigen müssen.
Referenzen
- Hippokrates und die Malaria
- Cunha CB, et al. J Vector Borne, Brief history of the clinical diagnosis of malaria: from Hippocrates to Osler.
- Malariasite
- Johns Hopkins Lecture on Malaria
- Georgios Pappas et al, Insights into infectious disease in the era of Hippocrates, International Journal of Infectious Diseases Vol 12, Issue 4, (2008)
- Pest und Erklärungen der Zeit
- Florence Nightingale
- The Lady with the Lamp (Wikipedia)
- Florence Nightingale Museum London
- Presentation by Prof. Lynn McDonald at Gresham College. (30. Oct., 2014)
- Florence Nightingale, datajournalist: information has always been beautiful
- Dr. John Snow (no, not Game of Thrones!)
- Gerd Gigerenzer über Risiko, Bauchentscheidungen und anderes
- Nassim Taleb, Black Swan
- Aristoteles: Nikomachische Ethik: Genauigkeit
- Steven Chu über Forschung
- Byung-Chul Han, Psychopolitik
Monday Jun 17, 2019
005 - Was will Technologie? Teil 2
Monday Jun 17, 2019
Monday Jun 17, 2019
- »Vor etwa 10.000 Jahren haben die Menschen einen Wendepunkt überschritten, an dem unsere Fähigkeit, die Biosphäre zu verändern, die Fähigkeit des Planeten, uns zu verändern, überstieg.«
- Technik und Menschheit leben in einer Symbiose
- »Wir sind an einem zweiten Wendepunkt, an dem die Fähigkeit der Technik, uns zu verändern, unsere Fähigkeit, die Technik zu ändern, übersteigt.«
Referenzen
- Kevin Kelly, What Technology Wants
- Kevin Kelly, Inevitable
- Manfred Geier, Aufklärung, das europäische Projekt
- Andrea Wulf, Alexander Humboldt und die Erfindung der Natur
- Douglas Ruskoff, Team Human
- Sternstunde Philosophie 16.9.2018, Der Philosophische Stammtisch: Schöne neue digitale Welt? (mit Richard David Precht, Harald Welzer & Katja Gentinetta)