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Sunday Jun 09, 2024
100 — Live im MQ, Was ist Wissen. Ein Gespräch mit Philipp Blom
Sunday Jun 09, 2024
Sunday Jun 09, 2024
Den »Zukunft Denken« Podcast gibt es seit fünf Jahren. Worum geht es?
Die einfache Antwort: es geht um alles. Die eine Seite der Medaille ist, wir leben im Westen in einer Zeit nie dagewesenen Lebensqualität, um die uns jeder Vorfahre beneidet hätte. Wie haben wir diese Transformation der Lebenswelt geschafft? Eine Grundlage dafür ist institutionalisiertes Lernen, mit anderen Worten, Wissenschaft. Eine andere ist Technik.
Es gibt aber eine zweite Seite der Medaille.
Der moderne Mensch überlebt nur mehr in Symbiose mit dieser Technik. Er ist in gewisser Weise bereits ein Cyborg, und die Verbindung wird immer enger. Aber was ist dieser Mensch?
Ein Hexenmeister, der virtuos mit und in Technik und Wissenschaft lebt oder Zauberlehrling, der tollpatschig Technik und Wissen zum Einsatz bringt, die er nicht richtig versteht?
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los.
Aber im Gegensatz zu Goethes Gedicht kommt der Hexenmeister nicht zu Hilfe. Wir sind auf uns alleine gestellt.
Wie geht die Geschichte aus?
Diese Frage diskutieren wir an drei Abenden mit den Schwerpunkten:
- Wissen: Was wissen wir, was bestimmt Wissen in der heutigen Zeit? (Diese Episode)
- Macht und Ohnmacht: Wissen schafft Möglichkeiten, Wirkmacht über die Welt, aber auch Ohnmacht. Wie können wir mit diesem Konflikt umgehen? Donnerstag 13. Juni 19:00 im MQ in Wien
- Verantwortung: Wer entscheidet in einer von Technik und Wissenschaft geprägten Gesellschaft über den Einsatz dieser neuen Möglichkeiten? Wer trägt letztlich die Verantwortung? Donnerstag 20. Juni im MQ in Wien
Im ersten Teil der Veranstaltung, dieser Episode, geht es um die Frage: Was wissen wir? Woher kommt Wissen? Was ist Expertise und wo steckt diese in einer modernen und komplexen Gesellschaft?
Wie hat sich die Interpretation der Welt über die letzten Jahrhunderte und besonders seit der Aufklärung verändert und wie gehen wir mit Sicherheit und Unsicherheit von Erkenntnis um?
Gesprächspartner ist der Historiker, Philosoph und Bestseller-Autor Dr. Philipp Blom. Seine Bücher verbinden historische Forschung, philosophische Erkundungen und gelegentlich Belletristik. Vor dem Hintergrund von gegenwärtigen Umbrüchen wie der Erderwärmung und der Digitalisierung wendet er sich auch in seinem Buch Was auf dem Spiel steht (2017) verstärkt Gegenwarts- und Zukunftsthemen zu. Seine Werke wurden in 16 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet. Ab 2024 ist Philipp Blom Intendant der Dachstein Dialoge.
Referenzen
Dr. Philipp Blom
Andere Episoden
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Episode 98: Ist Gott tot? Ein philosophisches Gespräch mit Jan Juhani Steinmann
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Episode 92: Wissen und Expertise Teil 2
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Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion Teil 1
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Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph Möllers
-
Episode 85: Naturalismus — was weiß Wissenschaft?
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Episode 55: Strukturen der Welt
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Episode 50: Die Geburt der Gegenwart und die Entdeckung der Zukunft — ein Gespräch mit Prof. Achim Landwehr
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Episode 49: Wo denke ich? Reflexionen über den »undichten« Geist
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Episode 44: Was ist Fortschritt? Ein Gespräch mit Philipp Blom
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Episode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!
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Episode 2: Was wissen wir?
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Episode 1: Zukunft Denken – eine gemeinsame Reise
Fachliche Referenzen
- Philipp Blom, Böse Philosophen, Carl Hanser Verlag (2011)
- Philipp Blom, Der taumelnde Kontinent, Carl Hanser Verlag (2009)
- Achim Landwehr, Geburt der Gegenwart, S. Fischer (2014)
- Immanuel Kant, Was ist Aufklärung (1784)
- Expertise oder Wissen? (An)sichten Blog (2023)
Tuesday May 21, 2024
098 — Ist Gott tot? Ein philosophisches Gespräch mit Jan Juhani Steinmann
Tuesday May 21, 2024
Tuesday May 21, 2024
Das Thema der heutigen Episode ist mir, ebenso wie der Gast, ein besonderes Vergnügen: »Ist Gott tot?« Diese Frage verhandle ich mit Jan Juhani Steinmann.
Jan, in Bern geboren, mütterlicherseits Finne, ist Philosoph, Dichter und Theologe. Er hat in Zürich, Berlin, St. Andrews, Heidelberg und Rom studiert. Forschungsaufenthalte wurden in Kopenhagen, Helsinki und Oxford durchgeführt. Seit 2019 ist er externer Lektor in Philosophie an der Universität Wien und seit 2023 an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Unter der Betreuung von Prof. Konrad Paul Liessmann hat er 2021 an der Universität Wien in Philosophie promoviert. Zurzeit forscht er am Institut Catholique de Paris, an der Università di Roma LUMSA sowie an der Faculty of Divinity der University of Cambridge zur poetischen Phänomenologie im Kontext des Denkens von Kierkegaard, Nietzsche und Heidegger. Er ist ferner Begründer des Kollektivs Omnibus Omnia.
Als persönliche Vorbemerkung zur Episode: Ich selbst bin Atheist / Agnostiker, aber stelle mir in den letzten Jahren immer häufiger die Frage, welche Rolle Religion beziehungsweise Glaube in der Strukturierung von Gesellschaften hat. Kann es sein, dass der Verlust von Religion oder Glaube in Summe für die Gesellschaft negative Folgen hat, die wir als »Aufklärer« nicht gerne sehen wollen? Stürzen wir gar ins Bodenlose?
So beginnen wir die Episode mit der Frage nach der Aufklärung: Was ist passiert, welche Strukturen wurden entfernt und was hat diese Strukturen ersetzt? Folgt man der Dialektik der Aufklärung (nach Adorno und Horkheimer) gibt es einen Pfad, der von der Aufklärung in die Barbarei des 20. Jahrhunderts mündet. Was ist davon zu halten, von einem Weg, der gewissermaßen von Kant bis Auschwitz reicht?
Wenn wir Nietzsche folgen: Ist Gott tot? Was hat er mit dieser Aussage eigentlich gemeint? Was oder wer ist dieser Gott, der nach Nietzsche tot sei?
»Ist Autonomie etwas, das dem Menschen wesenhaft zukommt?«
Schafft die Aufklärung nun Freiheit oder Unsicherheit oder gar beides? Das Projekt »des Westens« war eines, das stark mit dem Begriff der Freiheit verbunden (John Stuart Mill), aber haben wir die Kosten der Freiheit vergessen?
»Freiheit bedeutet entscheiden zu können, aber auch entscheiden zu müssen.«
Was hat es mit Freiheit und Verantwortung auf sich?
»Wir können nicht so tun, als ob der Mensch nicht frei wäre«
Ist dieser Begriff der Freiheit im Westen stärker ausgeprägt als in anderen Kulturen?
»Das Christentum war immer auch ein Verfechter der Freiheit des Menschen.«
Was ist das Zusammenspiel zwischen Gott und Religion? Gibt es Religion ohne Gott — denken wir etwa an die vielen parareligiösen aktivistischen Bewegungen der heutigen Zeit.
Kann Religion (kultur)evolutionär betrachtet werden im Sinne, dass es Gesellschaften leistungsfähiger gemacht hat? Nutzen versus Wahrheit und wie erklärt sich die Sehnsucht vieler Menschen nach dem Göttlichen, dem Transzendenten?
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Wiener Kreis und der Positivismus eine dominierende philosophische Schule als Gegenbewegung zu metaphysischen Ideen? Auch Bertrand Russell kann in diesem Zusammenhang genannt werden. Was ist der Bezug dieser Traditionen zu Big Data oder Künstlicher Intelligenz?
»Selbst in einem materialistischen Weltbild treten Transzendenzen an allen Ecken und Enden auf.«
Was sind Monaden im Sinne von Leibniz und was ist deren Relevanz in der Frage nach Gott?
Neigen wir dazu, dort zu suchen, wo Licht ist und nicht unbedingt dort, wo wir die wichtigsten Dinge finden könnten? Bezwingt das Einfache das Relevante?
Setzt das Göttliche den Vernünftigkeitsrahmen all unserer Fragen? Wo beginnt Leben, wo beginnt Bewusstsein?
Benötigen wir Gott/Religion als Fundament menschlicher Moral? Ist eine Rückbindung an ein Absolutum notwendig? Welche Optionen haben wir für den Ausdruck von Moral?
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Religiöse Tradition / Überlieferung
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naturwissenschaftliche / philosophische Begründung
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Relativismus
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Nihilismus
Ist Gott also selbst als Illusion oder Fiktion immer noch nützlich?
»Wenn diese Religion (das Christentum) auch nicht wahr wäre, wäre sie doch moralisch das insgesamt fruchtbarste für ein globales Projekt der Koexistenz.«
Was aber ist der Startpunkt für philosophische Begründungen? Ist diese willkürlich? Denn es gibt eine Pluralität an zunächst nicht vermittelten moralischen Systemen. Gäbe es eine Pathologie der Vernunft, wenn alles uniform wäre?
Steht dann doch wieder ein Thema im Zentrum, auf das in diesem Podcast immer wieder Bezug genommen wird: der Dialog?
»Wir sind auf unsere Selbstüberschreitung hin angelegt.«
Was bedeutet Transzendenz? Ist es wichtig, Transzendenz in einer Gesellschaft zu haben, um diese Gesellschaft langfristig fruchtbar zu halten und auch Dinge wie Kunst zu ermöglichen, die über banalen und kurzfristigen Aktionismus hinausweist?
»Der Mensch lebt ständig in Transzendenzen — wir haben an etwas größerem Teil, das mehr ist als ich, und das uns überschreiten muss.«
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph Möllers
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Episode 85: Naturalismus — was weiß Wissenschaft?
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Episode 83: Robert Merton — Was ist Wissenschaft?
-
Episode 74: Apocalype Always
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Episode 66: Selbstverbesserung — ein Gespräch mit Prof. Anna Schaffner
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Episode 61: Digitaler Humanismus, ein Gespräch mit Erich Prem
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Episode 56: Kunst und Zukunft
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Episode 55: Strukturen der Welt
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Episode 50: Die Geburt der Gegenwart und die Entdeckung der Zukunft — ein Gespräch mit Prof. Achim Landwehr
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Episode 44: Was ist Fortschritt? Ein Gespräch mit Philipp Blom
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Episode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!
Jan Juhani Steinmann
Fachliche Referenzen
- John Stuart Mill, On Liberty
- G.W.F. Hegel: Phänomenologie des Geistes
- Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft
- Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra
- Adorno/Horkheimer: Dialektik der Aufklärung
- Hans Urs von Balthasar: Glaubhaft ist nur Liebe
- Romano Guardini: Freiheit, Gnade, Schicksal
- Teilhard de Chardin: Der Mensch im Kosmos
- David Bentley Hart: The Experience of God: Being, Consciousness, Bliss.
- Bernhard Waldenfels: Hyperphänomene
- Emmanuel Falque: Crossing the Rubicon
- Johannes Hoff: Verteidigung des Heiligen
- Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft
- Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten
- Sam Harris, The Moral Landscape
- Hilary Putnam, Vernunft, Wahrheit Geschichte
- Hans Küng, Weltethos Projekt
Friday Apr 26, 2024
Friday Apr 26, 2024
»Ist der heutigen Welt nur mehr mit Komödie beizukommen?« Wer könnte diese Frage besser beantworten als der Gesprächspartner der heutigen Episode?
Vince Ebert ist Diplom-Physiker und Kabarettist seit über 25 Jahren. In der ARD moderierte er jahrelang die Sendung „Wissen vor Acht“. Seine Bücher sind Bestseller und verkauften sich über eine Million Mal. Außerdem ist er ist einer der gefragtesten Vortragsredner Deutschlands.
Wie kommt es, dass sich Vince Eberts Weg von Naturwissenschaft und Physik ins Kabarett und zum beliebten Vortragsredner, "Hofnarren" (wie er es selbst bezeichnet) entwickelt hat? Ist eine solide naturwissenschaftliche Ausbildung eine gute Basis für die meisten Anforderungen, die die moderne Gesellschaft stellt?
»Ich habe nach dem Studium als Unternehmensberater gearbeitet. Als Physiker verstehen sie von Beratung genauso wenig wie wie ein BWLer auch, dafür in der Hälfte der Zeit.«
Steht heute zu häufig Wunschdenken vor Fakten, und hilft das naturwissenschaftliche Denken bei diesen Problemstellungen? Aber können wir die Welt wirklich rational erfassen? Welche Rolle spielen emotionale Bewertungen in der modernen Welt?
»The only law of history is the law of unintended consequences«, Niall Ferguson
Darf ein Politiker/Manager die Komplexität der Welt benennen oder muss er sie ignorieren? Muss er Sicherheit versprechen, wo keine ist? Was macht einen guten und (das könnte eine gänzlich andere Frage sein) erfolgreichen Politiker/Manager aus?
Die Liste der gefeierten Manager und Unternehmer, die nur wenige Jahre später bankrott oder verurteilt sind, ist groß und reicht von Jeffrey Skilling und Bernie Ebbers bis zu Elizabeth Holmes und Sam Bankman-Fried. Haben wir Schwierigkeiten damit, Führungspersönlichkeiten differenziert zu betrachten?
Andererseits hat die Covid-Krise nahegelegt, dass nur die wenigen Experten, die differenziert und selbstkritisch gehandelt haben, wie etwa der Schwede Anders Tegnell, ihre Vertrauenswürdigkeit nicht verloren haben. Vielleicht hat aber auch die Covid-, Energiewende- und Wirtschaftskrise die Situation verändert?
»Es ist lange Zeit nicht aufgefallen, wenn man Mist gebaut hat.«
Welche Rolle spielt (vermeintlicher) Perfektionismus im Versagen der letzten Jahre in zahlreichen Krisen? Gibt es in der komplexen Welt gibt es keine perfekten Lösungen, sondern immer nur Abwägungen von Dilemmata?
Retten wir die Welt, wenn wir alle Ressourcen auf eine (wie ausgewählte?) Krise richten? Sind wir als moderne Gesellschaft nicht in der Lage breiter zu denken und wie kann man auf die Idee kommen, dass man auf eine kommende Katastrophe als Gesellschaft gut vorbereitet ist, wenn man zuvor Wirtschaft und Gesellschaft beschädigt? Reaktion auf fast alle kommenden Krisen benötigt funktionierende Strukturen, Kompetenz und Ressourcen.
»Der Satz, wie müssen mehr verzichten, stammt ironischerweise immer von Menschen, die sowieso keine wirtschaftlichen Probleme haben.«
Sind viele der aktuelle populären Aktivisten eher para-religiöse Bewegungen? Alle religiösen »Tugenden« sind zu finden:
- Verzicht,
- Propheten,
- man kann erlöst werden, indem man rituelle Handlungen vollzieht,
- Sinngebung erfolgt aus der Bewegung
- und man ist überzeugt absolute Wahrheiten zu verkünden?
Erleben wir in der öffentlichen und politischen Diskussion einen destruktiven Effekt durch übertriebene Moralisierung?
Was ist das neue Programm von Vince Ebert und wie spricht es die aktuelle Situation der Gesellschaft an?
»Wir waren früher in Diskussionen schon weiter.«
Es war früher auf der Bühne, im Film, in der Kunst viel mehr möglich. Warum machen wir in den letzten Jahren erhebliche Rückschritte? Wieso polarisieren selbst vernünftige, normalen Aussagen? Ist die Gesellschaft gar nicht gespalten, sondern nur die Rezeption kleiner und an sich wenig relevanter, aber lautstarke Randgruppen?
Wie hat sich der Begriff der Freiheit von etwa John Stuart Mill bis heute verändert? Haben wir Angst vor Freiheit und wollen den Staat bis in unser privates Leben entscheiden lassen?
Wie lange ist diese Vollkasko-Mentalität noch haltbar?
»Politiker behandelnd uns als wären wir 10 jährige Kinder, aber viele von uns - das ist die bittere Wahrheit - wollen auch wie 10 jährige Kinder behandelt werden.«
So kann aber eine komplexe Gesellschaft nicht funktionieren. Was dazu kommt: Derjenige, der etwas mit eigenem Risiko schafft wurde langsam aber stetig zum Feindbild aufgebaut.
»Wir Deutsche können mit Freiheit schlecht umgehen.«
Mit Vollkasko-Mentalität und dem Glauben an unsere unbesiegbare Überlegenheit werden wir die Zukunft nicht bewältigen.
»Vor zwanzig Jahren hat China noch kopiert, inzwischen haben sie diese Stufe überschritten […] Es ist bei vielen Leuten in Deutschland immer noch nicht angekommen, dass wir in einer immensen Wirtschaftskrise stecken.«
Es scheint, wir leben hier in mehreren Realitäten und große Teile der Elite kapseln sich in von der Realität immer stärker entkoppelten Enklaven ab.
Vince Ebert kritisiert diese Entwicklungen auch in seinem Artikel »Vor Theoretikern wird gewarnt«. Häufig wird der Eindruck vermittelt, wenn es am akademischen Reißbrett steht, ist es auch möglich — und das stimmt schlicht nicht.
Ist es folglich überraschend, dass viele Menschen Vertrauen in Expertise verloren haben, oder eher ein positives Zeichen, daß Veränderung fordert? Gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Wissen und Expertise? Ist ein wesentlicher Teil des Problems, dass es für akademische Eliten kein »Skin in the Game« gibt, sprich: falsche Vorhersagen haben zwar für die Gesellschaft große Folgen, aber nicht für den falschen Propheten?
»Wenn man nur im Elfenbeinturm sitzt, kann man bestimmte Faktoren einfach nicht abschätzen.« und dies gepaart mit »Theoretischer Arroganz — wenn ich diese Faktoren nicht in meiner Machbarkeitsstudie drinnen habe, dann existieren sich auch nicht.«
Im Umfang der Nutzungsbedingungen einer simplen App hat man früher Staatsverträge gemacht.
»Wir versuchen immer mehr uns vor Risiken abzusichern, und merken überhaupt nicht, dass das überhaupt das größte Risiko ist.«
Zurückkommend auf das Dürrenmatt-Zitat. Ist der heutigen Welt nur mehr mit der Komödie beizukommen und besteht die Gefahr in den Zynismus abzugleiten?
Zum Abschluss: Vergessen Sie nicht, das neues Programm von Vince Ebert: Vince of Change zu besuchen!
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 92: Wissen und Expertise Teil 2
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Episode 91: Die Heidi-Klum-Universität, ein Gespräch mit Prof. Ehrmann und Prof. Sommer
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Episode 90: Unintended Consequences (Unerwartete Folgen)
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Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph Möllers
-
Episode 84: (Epistemische) Krisen? Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
-
Episode 81: Energie und Ressourcen, ein Gespräch mit Dr. Lars Schernikau
-
Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
-
Episode 76: Existentielle Risiken
-
Episode 74: Apocalype Always
-
Episode 62: Wirtschaft und Umwelt, ein Gespräch mit Prof. Hans-Werner Sinn
Vince Ebert
- Vince Ebert Webseite
- Vince Ebert Programm/Tour
- Vince Ebert, Lichtblick statt Blackout: Warum wir beim Weltverbessern neu denken müssen, dtv (2022)
- Vince Ebert, Unberechenbar: Warum das Leben zu komplex ist, um es perfekt zu planen
- Vor Theoretikern wird gewarnt, Rowohlt (2016)
Fachliche Referenzen
- ReasonTV, The Truth about Swedens Covid-Policy (2023)
- Niall Ferguson on Regulation (2023)
- John Stuart Mill, On Liberty, Projekt Gutenberg (1859)
- Konrad Paul Liessmann, Lauter Lügen, Paul Zsolnay Verlag (2023)
- Thomas Sowell, Intellectuals an Society, Basic Books (2012)
Friday Apr 12, 2024
Friday Apr 12, 2024
Seit Längerem liegt mir ein Thema am Herzen, nämlich die Frage, welche Rolle Militär in der heutigen Zeit spielt, wie sich die Situation über die letzten Jahrzehnte — zur Überraschung vieler, auch mir — verändert hat und was wir in Zukunft erwarten können.
Nun ist es mir zum Glück gelungen, einen der führenden Experten in diesem Themenbereich zu einem Gespräch einzuladen, Prof. Walter Feichtinger.
Prof. Feichtinger ist Sicherheitsexperte, Brigadier im Ruhestand, und Präsident des Center for Strategic Analysis.
Vor einigen Jahrzehnten wurde vom »Ende der Geschichte« gesprochen, die Berliner Mauer ist gefallen, die liberale Marktwirtschaft wird dominieren und Staaten, die voneinander immer stärker ökonomisch abhängig sind, greifen einander nicht an. Militär wird also zunehmend überflüssig. So meine Logik und die Logik vieler anderer damals.
Wie konnte ich so falsch liegen?
Die Idee, dass der Weste das Weltgeschehen dominiert — wirtschaftlich und kulturell — gilt heute wohl nicht mehr? Hat Realitätsverweigerung dominiert?
Jedenfalls wurde Militär systematisch abgerüstet. Was sind die Folgen?
Was passiert in den wirklichen Konfliktfeldern der Welt, haben wir es dort mit rationalen Akteuren zu tun? Denken wir an den Irak, Westbalkan, Afghanistan, Russland?
Was ist beim Arabischen Frühling (2011) passiert? Ist spätestens zu diesem Zeitpunkt die klare Ablehnung westlicher Lebensvorstellungen offensichtlich geworden?
Je mehr Interdependenz, desto mehr geopolitische Sicherheit hat sich wohl als schwerwiegende Fehleinschätzung herausgestellt; aber wie sollen wir international mit Abhängigkeiten umgehen?
Ähnliche Fehler wurden schon in der Vergangenheit begangen, denken wir an die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, ohne dass wir die Lehren daraus gezogen hätten; wie Thomas Sowell schreibt:
“Being a pacifist in the 1920s and 1930s was a badge of honor, and pacifist phrases facilitated admission to the circles of the self-congratulatory elites. […]
At a 1935 rally of the British Labor Party, economist Roy Harrod heard a candidate proclaim that Britain ought to disarm 'as an example to the others'—a very common argument at that time. […]
If Britain would reduce its armed forces, as Bertrand Russell advocated, 'we should threaten no one, and no one would have any motive to make war on us.'”
Was bedeutet nun Friede und wie kann dieser erreicht werden?
»Si vis pacem para bellum«
Wie zwischen sinnvoller Abschreckung und Rüstungswettlauf navigieren?
»Das Phänomen Krieg besteht noch immer im politischen Alltag.«
Abschreckung — siehe Kalter Krieg in den 1980ern — ist immer ein wesentliches Element in internationalen Beziehungen. Abschreckung setzt aber militärische und entsprechende politische Stärke gleichermaßen voraus.
Welche Rolle spielt Rüstungskontrolle in diesem Kontext?
Wer sind heute eigentlich die Akteure, die Großen und die Mittelmächte; wie hat sich die Situation verändert? Erleben wir neue Stellvertreterkriege mit der Gefahr ungewollter Eskalation durch Mittelmächte?
Was ist die Rolle der UNO und anderer internationaler Organisationen, im Besonderen auch des Sicherheitsrates; einerseits in der historischen, andererseits in der aktuellen Perspektive und mit Blick in die Zukunft?
Wer hat die bisherige Weltordnung dominiert und wer fordert die bisherigen Akteure heraus? Der Westen ist stark in die Defensive geraten — kommen wir aus dieser Position der globalen Schwäche wieder heraus?
»Das höchste Gut ist die Glaubwürdigkeit.«
Was ist heute eigentlich das Schlachtfeld? Kann ein Krieg heute überhaupt gewonnen werden?
»Wir befinden uns heute in einer Sphäre der permanenten Auseinandersetzung«
Der Kampf der Narrative! Nichts ist schwarz-weiß, welcher Geschichte darf man hier überhaupt noch Glauben schenken?
»Es geht darum, dem Gegner den eigenen Willen aufzuzwingen und dies muss nicht mit Militär geschehen.«
Es gibt kein einfaches »Freund/Feind« Schema mehr. Wie sollen wir damit umgehen? Bei der heutigen hybriden Machtprojektion gibt es selten einen klaren Sieger.
»Den Krieg im herkömmlichen Sinne gibt es nicht mehr«
Welche Rolle spielt das neue Kampfmittel »Drone«? Sowohl am »konventionellen« Schlachtfeld als auch in der zu erwartenden Zukunft? Welche Rolle spielt — allgemeiner gefragt — die Digitalisierung in diesen hybriden Kriegen?
Wie verändert sich die zeitliche Dimension am Schlachtfeld und was hat dies für systemische Effekte? Welche Rolle kann der Mensch unter diesen Rahmenbedingungen noch spielen?
»Die Technologie ist immer schneller als die Regulierung«
Sind Attacken in der Zukunft überhaupt noch Akteuren zuordenbar?
Wir erleben »die Enthegung des Krieges durch technische Neuerungen«
Wie bekommen wir wieder mehr Resilienz in die globalen Systeme?
Welche globalen Akteure haben überhaupt die technologische Stärke, um eine Rolle spielen zu können? Wie sieht die Situation im Nahen und Mittleren Osten aus? Alles düster oder gibt es Grund zur Hoffnung?
Welche Rolle spielt CSA Austria und Österreich als neutrales Land in dieser Gemengelage?
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 94: Systemisches Denken und gesellschaftliche Verwundbarkeit, ein Gespräch mit Herbert Saurugg
-
Episode 90: Unintended Consequences (Unerwartete Folgen)
-
Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph Möllers
-
Episode 61: Digitaler Humanismus, ein Gespräch mit Erich Prem
-
Episode 51: Vorbereiten auf die Disruption? Ein Gespräch mit Herbert Saurugg und John Haas
-
Episode 37: Probleme und Lösungen
Prof. Feichtinger
Fachliche Referenzen
- Francis Fukuyama, Das Ende der Geschichte, Hoffmann und Campe (2022)
- The Truth About War with Combat Veteran Kelsi Sheren, Triggernometry (2024)
- Thomas Sowell, Intellectuals and Society, Basic Books (2012)
- The Spy War: How the C.I.A. Secretly Helps Ukraine Fight Putin, New York Times, 25. Feb 2024; Archive.is
Wednesday Apr 03, 2024
Wednesday Apr 03, 2024
Vor ziemlich genau drei Jahren habe ich die erste Episode mit Herbert Saurugg aufgenommen. Der Titel der Episode 42 war Gesellschaftliche Verwundbarkeit, ein Blick hinter die Kulissen.
In dieser Episode reflektiere ich mit Herbert, was seit damals geschehen ist. Zwar haben wir Covid mit vielen Schäden hinter uns gelassen, aber eine ganze Reihe von neuen Krisen ist hinzugekommen.
Haben wir als Gesellschaft dazugelernt? Wo stecken die größten Risiken, besonders was Energie und Krisensicherheit und Logistik betrifft?
Herbert Saurugg ist internationaler Blackout- und Krisenvorsorgeexperte, Präsident der Gesellschaft für Krisenvorsorge, Autor zahlreicher Fachpublikationen sowie gefragter Keynote-Speaker und Interviewpartner zum Thema „überregionaler Strom-, Infrastruktur- und Versorgungsausfall (‚Blackout‘)“. Der ehemalige Berufsoffizier beschäftigt sich seit 2011 mit der zunehmenden Verwundbarkeit der Gesellschaft und der Frage, wie wir diese wieder reduzieren können. Er betreibt dazu einen umfangreichen Fachblog und unterstützt Kommunen, Unternehmen und Organisationen bei einer ganzheitlichen Blackout-Vorsorge.
Auch das Brettspiel »Neustart« muss unbedingt erwähnt werden, das als Blackout Simulation für Gemeinden, Krisenstäbe entwickelt wurde, mittlerweile aber auch für ein breiteres Publikum empfohlen werden kann. Auf unterhaltsame Weise kann man eine realistische und ganzheitliche Blackout-Bewältigung simulieren.
Wie haben wir die Pandemie überwunden? Warum war eine Rückkehr zur vor-Pandemie Zeit nicht möglich? Was haben wir über Resilienz von Logistik und Lieferketten gelernt, begonnen mit Blockade des Suez-Kanals bis zum Ukraine-Krieg?
Was hat es mit den Energiepreisen auf sich; was ist passiert, was sind die Ursachen? Die (geo)politischen und ökonomischen Unsicherheit haben nicht abgenommen, eher das Gegenteil. Was ist hier falsch gelaufen? In diesem Jahr erwarten uns noch US-Wahlen, das Ganze mit Vereinigten Staaten, die unter einem völlig erdrückenden Budgetdefizit leiden, und unter massiver Polarisierung der Gesellschaft, ausgelöst auch durch dysfunktionale Medien. Welche Rolle spielt China und der Rest der Welt in dieser Gemengelage? Stehen wir vor globalem Chaos?
Was ist die positive Aussicht? Neuordnung, Neuanfang, aber in welche Richtung?
Immerhin erleben wir immer mehr führende Manager, die endlich nicht mehr nur auf Linie des politischen Narrativs sprechen, sondern sich näher an der Wahrheit äußern:
»Die Reserven, die unsere Großmütter und Großväter in das System eingebaut haben, sind aufgebraucht. Wir müssen jetzt handeln, damit wir die Ziele der Energiewende erreichen und die Elektrifizierung von Gesellschaft, Wirtschaft und Industrie umgesetzt werden kann.«, Gerhard Christiner, Vorstand Austrian Power Grid AG
oder Leonhard Birnbaum, der zwar vergisst den ungeheuren Ressourcenverbrauch zu nennen, aber dennoch relativ offen spricht:
»Erneuerbare verbrauchen zwei Dinge: Fläche und Geld«, Leonhard Birnbaum, CEO von EON Deutschland
Warum bereiten Erneuerbare solche Probleme im Stromnetz? Was war mit den Prognosen der Vergangenheit? Was ist eingetreten, was ist nicht eingetreten? Haben wir das notwendige Backup für den aus Netzsicht qualitativ minderwertigen Strom der Erneuerbaren?
Mittelwerte sind keine Basis für eine ernsthafte Energiestrategie. Was folgt daraus aus der Sicht systemischer gegenüber einzelteiliger Strategie und Förderung. Welche zeitlichen Dimensionen müssen bei Stromspeichern bedacht werden? Warum ist die Angabe installierter Leistung irreführend und vergleichsweise irrelevant?
Welche Rolle spielt Digitalisierung beim Steuerungsbedarf und der Komplexität der Netze? Was sind dezentrale funktionale Einheiten und Energiezellen? Können diese das Problem verringern? Wie können Simulationen helfen?
»Im Stromnetz zählt jede Sekunde«
Funktioniert die deutsche »Energiewende« nur, weil der Rest Europas die Probleme des deutschen Netzes behebt?
Was ist die Momentanreserve und warum ist diese so wesentlich? Stoßdämpfer des Netzes
Wie sieht die Situation weltweit aus?
Gibt es einen Kipppunkt im System, wo liegt der? Stehen wir in vielen Industrienationen vor einer »Nigerianisierung« der Netze? Naive Effizienzmaßnahmen stehen meist im Gegensatz zu Redundanz:
“Most modern efficiencies are deferred punishment.”, Nassim Taleb
Bauen wir die Reserven der Vergangenheit auf (wie auch das Zitat von Christiner nahelegt) — was machen wir dann in der Zukunft? Das scheint keine nachhaltige und schon gar nicht resiliente Idee zu sein. Wie gehen wir etwa mit dem steigenden Wartungsbedarf immer größerer Infrastruktur um, die sich ergibt, wenn man Energie mit geringer Energiedichte produziert? Welche Rolle spielt der Mangel an Fachpersonal? Bilden wir die Leute richtig aus? Der Wettbewerb ist heute international.
Beim Kampf ums Überleben und der Notwendigkeit, immer neue Auflagen zu erfüllen, bleibt die Strategie und das langfristige Denken oft auf der Strecke. Dazu kommt, dass Bürokratie zur Selbstverstärkung neigt.
Warum werden Energieanbieter nicht gleichwertig behandelt? Die Allgemeinheit zahlt die Gewinne und nimmt die Risiken, die etwa Erneuerbaren-Anbieter ökonomisch schaffen.
Was ist die globale Perspektive — besonders, wenn man an Nationen wie China oder Indien und deren Nutzung von Kohle denkt?
War die Abschaltung der Kernkraftwerke in Deutschland eine gute Idee? Was ist die verdeckte Agenda? Geht es manchen politischen Akteuren nicht um eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Strategie, sondern um ideologische Erfolge, wie das Schrumpfen der Wirtschaft? Warum wird das dann nicht ehrlich kommuniziert?
Welche Rolle spielt Energieintensität? Fossile Energie und Kernkraft kann nicht mit Energieformen wie vor zweitausend Jahren ersetzt werden, ohne dramatische Einschränkungen für die Gesellschaft, die in der Regel die Schwächsten trifft — sowohl national, besonders aber auch global.
“Fossil fuels now supply about 83% of the world’s commercial energy, compared to 86% in the year 2000. The new renewables (wind and solar) now provide (after some two decades of development) still less than 6% of the world’s primary energy, still less than hydroelectricity.”
“Four Pillars of Modern Civilization: ammonia, plastics, steel and concrete.”
“Making just these four materials requires nearly 20% of the world’s total energy supply generating about 25% of all greenhouse gas emissions. Alternative, non-carbon, ways of making these materials are known — but none is available for immediate large-scale commercial deployment.”, Vaclav Smil
Verstehen Aktivisten und Politik die großen Zusammenhänge und Dimensionen moderner Zivilisation?
»Wer Just Stop Oil operativ ernst nimmt, nimmt den Tod von Milliarden Menschen in Kauf.«
Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen vermeintlich guten Ideen und deren Umsetzung, Smart Metering als Beispiel für den Unterschied zwischen Ambition und Umsetzung. Es wird regelmäßig der zweite Schritt vor dem ersten gemacht, mit fatalen Konsequenzen.
“The world you see everywhere around you, could never have been built by the people you see now living within it”, Erik Weinstein, Tweet (2023)
Was ist Chestertons Fence, und was können wir davon lernen?
Was passiert bei einem Stromausfall? Wir sehen massive Abhängigkeit von Logistik — was sind die Folgen?
Haben wir im Bereich des Zivilschutzes seit dem letzten Gesprächs Fortschritte gemacht? Gibt es einen Unterschied zwischen Österreich und Deutschland?
»Die persönliche Ebene ist durch nichts zu ersetzen«
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 90: Unintended Consequences (Unerwartete Folgen)
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Episode 82: Smart Communities, ein Gespräch mit Ulrich Ahle
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Episode 81: Energie und Ressourcen, ein Gespräch mit Dr. Lars Schernikau
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Episode 79: Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica Thompson
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Episode 76: Existentielle Risiken
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Episode 74: Apocalype Always
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Episode 73: Ökorealismus, ein Gespräch mit Björn Peters
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Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
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Episode 65: Getting Nothing Done — Teil 2
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Episode 64: Getting Nothing Done — Teil 1
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Episode 62: Wirtschaft und Umwelt, ein Gespräch mit Prof. Hans-Werner Sinn
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Episode 51: Vorbereiten auf die Disruption? Ein Gespräch mit Herbert Saurugg und John Haas
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Episode 46: Activism, a Conversation with Zion Lights
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Episode 45: Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise?
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Episode 42: Gesellschaftliche Verwundbarkeit, ein Blick hinter die Kulissen: Gespräch mit Herbert Saurugg
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Episode 36: Energiewende und Kernkraft, ein Gespräch mit Anna Veronika Wendland
Herbert Saurugg
- Gesellschaft für Krisenvorsorge
- Fachblog
- Brettspiel: »Neustart«
- Initiative »Mach mit! Österreich wird krisenfit!«
- Initiative »Schritt für Schritt krisenfit«
- Leitfäden für die Vorsorge
- Leitfaden für die Blackout-Vorsorge in Unternehmen und Organisationen - Blackout-Vorsorgeplan
Fachliche Referenzen
- Ray Dalio, Principles for Dealing with the Changing World Order: Why Nations Succeed and Fail, Simon and Schuster (2021)
- Weltordnung im Wandel: Vom Aufstieg und Fall von Nationen (Blog Herbert Saurugg)
- Gerhard Christiner, Zitat auf LinkenId (2024)
- Leonhard Birnbaum, CEO von EON Deutschland, Zitat aus Interview (2024)
- Nassim Taleb, Efficiency Quotation (Twitter)
- Vaclav Smil, The energy historian who says rapid decarbonization is a fantasy, Los Angeles Times (2022)
- Chestertons Fence
- Das europäische Stromversorgungssystem im Umbruch (2024)
- Unbequeme Wahrheiten über Strom und die Energie der Zukunft (Blog Herbert Saurugg)
- Shorting the Grid: The Hidden Fragility of Our Electric Grid (Blog Herbert Saurugg)
- Die Zerbrechlichkeit der Welt: Kollaps oder Wende. Wir haben es in der Hand. (Blog Herbert Saurugg)
- Energy Storage and Civilization: A Systems Approach (Blog Herbert Saurugg)
- Scale – Die universalen Gesetze des Lebens von Organismen, Städten und Unternehmen (Blog Herbert Saurugg)
- How Everything Can Collapse: A Manual for our Times (Blog Herbert Saurugg)
- Die Grenzen des Denkens (Blog Herbert Saurugg)
- Nassim Taleb, Skin in the Game, Hidden Asymmetries in Daily Life, Penguin (2018)
- Der Seneca-Effekt. Warum Systeme kollabieren und wie wir damit umgehen können (Blog Herbert Saurugg)
Monday Mar 18, 2024
Monday Mar 18, 2024
Die heutige Episode gehört zu den wenigen, die eine gewisse Zeitlichkeit haben. Es war vor rund vier Jahren, als die Covid-Pandemie auch in Europa richtig angekommen ist. Ab 16. März 2020 wurde der erste österreichweite Lockdown verfügt. Dies war der Anfang einer ganzen Reihe von Maßnahmen, die große Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Gesundheit der Menschen hatten.
Vier Jahre später würde man erwarten, dass diese Maßnahmen, die in dieser Form einzigartig seit dem Zweiten Weltkrieg waren, breit in Wissenschaft, Medien und Öffentlichkeit reflektiert und diskutiert werden. Dies nicht nur, um die konkrete Krise aufzuarbeiten, sondern auch um zu fragen, wie wir mit zukünftigen Krisen umgehen sollten.
Was beobachten wir in etablierten Medien, Wissenschaft und Politik? So gut wie nichts, was nach einer ernsthaften Aufarbeitung aussieht. Der Titel dieser Episode ist daher: »Covid. Die unerklärliche Stille nach dem Sturm?«
Der heutige Gesprächspartner ist wieder Jan David Zimmermann, was mich sehr freut! Jan ist Autor, Publizist und Wissenschaftsforscher, hat auch gerade ein neues und äußerst empfehlenswertes Buch herausgebracht — Lethe, Vom Vergessen des Totalitären. Außerdem ist er Redakteur beim Stichpunkt-Magazin.
In dieser Episode diskutieren wir nicht fachlich die Maßnahmen, die gesetzt oder unterlassen wurden, sondern vielmehr den Prozess, der zu diesen Maßnahmen geführt hat, sowie die Rolle von Wissenschaft und Expertise in diesem Zusammenhang. Wir fallen dabei nicht in die post-hoc fallacy, also aus dem Rückblick alles besser zu wissen. Sondern die Betrachtung ist eine aus der heutigen Zeit, aber vor allem hinsichtlich der Frage, was wir richtig und falsch gemacht haben, und wie wir von hier an weitergehen sollten. Wir versuchen also (nach Heinz von Förster) eine Beobachtung zweiter Ordnung.
Was hat Corona angestoßen oder welche Trends in der Gesellschaft deutlicher gemacht? Beobachten wir neue totalitäre Tendenzen, eine Polarisierung, wie Wissenschaft in Krisen agiert?
Covid per se bedarf einer Nachbearbeitung, aber auch die Folgeeffekte auf Wissenschaft, Politik und Gesellschaft für andere, ähnliche Probleme. Denn es wird fallweise behauptet, wir hätten einen Mechanismus, eine »Blaupause« entwickelt, um auch mit anderen (ähnlichen) Krisen umzugehen. Ist diese wünschenswert und Erfolg versprechend?
Was bedeutet Ausnahmezustand; vor allem, auch wenn damit langfristig Politik gemacht wird?
»Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet«, Carl Schmitt
Wie autoritär ist Gesellschaft der vormaligen »Mitte« geworden? Alle möglichen ideologischen Seiten finden autoritäre Ideen und auch Gewalt plötzlich rechtfertigbar?
Was bedeutet Entscheiden unter Unsicherheit — oder allgemeiner: Wie sollten wir als Gesellschaft mit Unsicherheit umgehen? Wir diskutieren die verschiedenen Aspekte in Bezug auf folgende Phasen der Krise:
- Zeit vor 2020
- Frühjahr/Sommer 2020
- Herbst-Winter 2020 (vor der Impfung)
- Nach der Impfung 2021
- 2022 und später
Wie gefährlich kann Forschung sein? Gain of Function Research, Lab Leaks? Wer sollte über solche Wissenschaft entscheiden?
»Wissenschaft ist nicht einfrieren von Erkenntnis«
Zur Cochrane Studie über Masken siehe Podcast Episode 72.
Was bedeutet Krisenmanagement in solchen Situationen? Haben wir Maßnahmen von Privilegierten für Privilegierte auf dem Rücken der restlichen Gesellschaft erlebt?
»Luxury beliefs are the new status symbols«, Rob Henderson
Das Verhalten der Wissenschaft während der Pandemie wurde von einzelnen hochrangigen Wissenschaftern wie John Ioannidis untersucht, und das Ergebnis war wenig schmeichelhaft:
»Even the best peer-reviewed journals often presented results with bias and spin.«
»Whatever the origins of the virus, the refusal to abide by formerly accepted norms has done its own enormous damage.«
»most of this work was of low quality, often wrong, and sometimes highly misleading.«
»The disdain for reliable study designs was even celebrated.«
»Big Tech companies […] developed powerful censorship machineries«
»There was a clash between two schools of thought, authoritarian public health versus science—and science lost.«
Man muss sich nach solchen Analysen natürlich die Frage stellen: Sind unsere Wissenschaftstugenden mittlerweile völlig korrodiert?
Was hat es mit der Great Barrington Declaration auf sich und was waren die unerfreulichen Folgen für die beteiligten Wissenschafter?
Niemand wird primär dafür kritisiert, im Jahr 2020 Fehler gemacht zu haben, aber wenn man sich 2024 dafür rühmt ist das ernüchternd. Dies zeigt sich auf drastische Weise am Auftritt des deutschen Soziologen Heinz Bude (der Mitglied des deutschen Krisenstabes war):
Heinz Bude: »Noch einmal aus dem Nähkästchen geplaudert: Wir müssen ein Modell finden, um Folgebereitschaft herzustellen, dass so ein bisschen wissenschaftsähnlich ist. Und das war diese Formel flatten the curve. Wie können wir die Leute überzeugen mitzutun... Das sieht so nach Wissenschaft aus. Wenn ihr schön diszipliniert seid, könnt ihr die Kurve verändern. […] Das haben wir geklaut von einem Wissenschaftsjournalisten. Das haben wir nicht selber erfunden. Wir fanden das irgendwie toll, dass man so ein Quasi-Wissenschaftsargument hat.«
Anderer Diskutant: »Das bedeutet, dass sich die Wissenschaft in einem normativ vorgegebenen Rahmen engagiert. […] Diese normativen Vorgaben muss man einkaufen«
HB: »Wissenschaft ist ja auch operativ interessant. «
AD: »Aber wenn man sich normativ sehr sicher ist. Ich glaube, viele Leute waren sich sehr schnell sehr sicher.«
Bude zuckt mit den Achseln.
Heinz Bude war außerdem ein Verfechter der Zero-Covid Idee, die sehr schnell diskreditiert war. Was bedeutet es auch, wenn Wissenschaft »operativ interessant« wird?
Das Vertrauen in die Wissenschaft geht verloren — wie ist das zu bewerten? Wird hier nicht oftmals Ursache mit Wirkung verwechselt? Wie kann das Vertrauen in Institutionen und Wissenschaft wieder hergestellt werden?
Matt Taibbi spricht im Rahmen der Twitter Files vom Censorship Industrial Complex »Twitter was more like a partner to government «
Wissenschaft ist immer stark mit Macht verwoben, wie steht das im Verhältnis zum Erkenntnisgewinn? Aber auch die Medien erfüllen ihre Aufgabe in keiner Weise. Wie gehen wir damit um? Wie kann entschieden werden, was legitime Kritik und was schlicht Unsinn ist? Wie konnte es passieren, dass liberale Nationen wie Kanada, Australien und Neuseeland in autoritäre Strukturen abgeglitten sind? Damit stellt sich die fundamentale Frage: Wie lange darf ein Krisenmoment dauern?
»Moralpolitik hat die Sachpolitik abgelöst«
Auf der »richtigen« Seite zu sein wird wichtiger als das Richtige zu tun. Und das Richtige wird mit allen Mitteln durchgesetzt, nicht nur mit harten Maßnahmen, sondern auch mit Soft Power wie Nudging.
Dabei wird die eigentlich wichtige Frage gerne übersehen: Wer bestimmt, was das Richtige für mich ist?
»The dictatorship of the future will be very unlike the dictatorships we experienced in the past. […] If you want to preserve your power indefinitely, you have to get the consent of the ruled. […] Making him actually love his slavery. Being happy under the new regime.«, Aldous Huxley
Das Totalitäre ist stärker von klaren Strukturen und nicht von Inhalten bestimmt:
»Das Totalitäre ist stärker ein wie als ein was.«
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph Möllers
-
Episode 85: Naturalismus — was weiß Wissenschaft?
-
Episode 84: (Epistemische) Krisen? Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
-
Episode 83: Robert Merton — Was ist Wissenschaft?
-
Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
-
Episode 79: Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica Thompson
-
Episode 76: Existentielle Risiken
-
Episode 74: Apocalype Always
-
Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
-
Episode 47: Große Worte
-
Episode 39: Follow the Science?
-
Episode 37: Probleme und Lösungen
-
Episode 25: Entscheiden unter Unsicherheit
Jan David Zimmermann
- Homepage
- Facebook: Jan D. Zimmermann
- Instagram: j._zimmermann
- Buch: Lethe. Vom Vergessen des Totalitären
- Stichpunkt Magazin
Fachliche Referenzen
- Sitzungsprotokoll der "Taskforce Corona" über zu wenig Angst in der Bevölkerung, Der Standard (2020)
- Regierungsprotokoll: Angst vor Infektion offenbar erwünscht, ORF (2020)
- Internes Papier aus Innenministerium empfahl, den Deutschen Corona-Angst zu machen, Focus (2020)
- Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen. Strategiepapier des Bundesinnenministeriums.
- Umstritten. Ein journalistisches Gütesiegel. Fitfty Fifty/ Westend Verlag (2024)
- Das integrative Empire: Wissensproduktion und kulturelle Praktiken in Habsburg-Zentraleuropa (Global- und Kolonialgeschichte). transcript Verlag (2023)
- Jürgen Habermas: Technik und Wissenschaft als Ideologie Suhrkamp (1968)
- Rob Henderson, Luxury Beliefs
- John Ioannidis, How the pandemic is changing pandemic norms (2021)
- Great Barrington Declaration (2020)
- Heinz Bude im Gespräch 2024
- Zero Covid, No Covid, Artikel im Deutschlandfunk (2021)
- Susanne Gaschke, Interview in der NZZ: »Sie wollten ganze Landkreise abschotten!« – »Ich würde immer noch so vorgehen, wie wir es getan haben!« (2023)
- Alexander Bogner, Nach Corona (2023)
- Matt Taibbi, The Censorship Industrial Complex (2023)
- Telegraph, The Lockdown Files
- Ein neuer Bericht offenbart Pläne für eine Veränderung von Coronaviren – kurz vor der Pandemie, NZZ (2021)
- Richard Thaler, Cass Sunstein, Nudge, Yale University Press (2008)
- WEF Artikel (2021) mit Interview Cass Sunstein
- Gesundheitspolitik: Nudging: Anstupsen für den guten Zweck (Spektrum 2015)
- Nudging Task Force unter Obama (2015)
- Rainer Mausfeld im Gespräch über sein neues Buch, Hybris und Nemesis (2023)
- Jesse Singal, The Quick Fix: Why Fad Psychology Can't Cure Our Social Ills, Farrar, Straus and Giroux (2021)
- Margaret Heffernan, Uncharted, Simon & Schuster UK (2020)
- Shoshana Zuboff, The Age of Surveillance Capitalism: The Fight for a Human Future at the New Frontier of Power, Profile Books (2019)
- Aldous Huxley über Diktaturen der Zukunft (1958)
- Martin Kulldorff: Fired by Harvard for getting Covid right, Unherd (2024)
- Vinay Prasad, Martin Kulldorff was wrongly fired from Harvard Medical School (2024)
Monday Feb 26, 2024
Monday Feb 26, 2024
Ich freue mich, dass ich Prof. Ehrmann und Prof. Sommer gewinnen konnte, um über die erheblichen Probleme der heutigen Forschungs- und Uni-Landschaft zu sprechen. Ist die Universität zu einem Turnier verkommen, das eher einem Heidi-Klum-Wettbewerb entspricht als ernsthafter Wissenschaft?
Prof. Ehrmann leitet das Institut für Strategisches Management an der Universität Münster. Er hat eine weite Erfahrung sowohl in der Wissenschaft als auch in Industrie und Politik, so war er unter anderem Senior Manager bei PWC Corporate Finance und 17 Jahre lang Mitglied der Advisory Group der Deutschen Bahn.
Prof. Michael Sommer studierte Alte Geschichte, Latein, Griechisch, Politikwissenschaften, neuere Geschichte und Vorderasiatische Archäologie. Nach seiner Promotion an der Universität Freiburg verbrachte er zwei Jahre als Visiting Fellow am Wolfson College in Oxford. Von 2005 bis 2012 war er Dozent für Alte Geschichte an der Universität von Liverpool. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Wirtschafts-, Sozial-, Mentalitäts- und Institutionsgeschichte des Römischen Reiches und die Geschichte der Levante in allen Epochen.
Wird Volkswirtschaft naturwissenschaftlich(er)? Was ist die Währung in der Wissenschaft? Welche Bedeutung und Folge(n) hat die Replikationskrise, die in der Psychologie große Wellen geschlagen hat, aber im Grunde weite Bereiche der Wissenschaft betrifft?
Was ist von Drittmitteln als Kriterium für wissenschaftlichen Erfolg zu halten und welche Effekte haben ständige Evaluierungen? Führt dies zu einem selbstzerstörerischen System?
Es gibt gute Hinweise darauf, dass Qualität und Output in der Wissenschaft stetig zurückgehen, was ist davon zu halten? Es wird viel »Wissen« generiert, aber ist dieses »Wissen« weitgehend nutzlos oder gar Pseudowissenschaft? Was ist der Zusammenhang zwischen eingesetzten Steuermitteln und wissenschaftlichen Ergebnissen?
Aber nicht nur die Wissenschaft ist in der Krise, auch die Ausbildung ist betroffen; wird etwa die Studierfähigkeit der jungen Studenten immer schlechter und ist die stetig zunehmende Akademisierung des Landes sinnvoll? War die Bologna-Reform ein Fehler?
»Brauchen wir 10.000 Leute, die Gender-Studies studieren, während es auf der anderen Seite an Klempnern und Pflegekräften mangelt.«
Ist der Akademiker von heute von der Qualifikation kaum dem Maturant/Abiturient der Vergangenheit überlegen? Wenn das so weitergeht: nennen wir die Uni in wenigen Jahrzehnten Berufschule? Das kann doch kaum eine effiziente Form der Ausbildung sein? Nicht jeder ist Einstein — an welcher Stelle erfolgt die Selektion? Je später sie erfolgt, desto schmerzhafter ist sie für den Einzelnen und desto teurer für das System?
»Die Snowflakes, die da von der Uni kommen [Lehramt], denen hat nie jemand gesagt, dass ihre Arbeit eigentlich Scheiße ist und die sitzen jetzt im Studienseminar und sind zum ersten Mal Kritik ausgesetzt«
In welchem Zusammenhang steht der an den Unis (vor allem in den USA) überkochende Antisemitismus mit den oben genannten Problemen? Hat der woke Unfug nun tatsächlich die Überhand gewonnen?
»Das Einschränken von Meinungskorridoren, das Niederbrüllen von Meinungen die einem nicht passen […] ist eine direkte Folge des Kompetenzrückgangs«
Erleben wir Zensur von oben oder eher eine eigenartige Form der intellektuellen Selbstverstümmelung?
“The restraints on freedom of speech and repression that are existing on formally liberal societies are not imposed by dictatorial or authoritarian governments on the whole. They are imposed by civil institutions themselves.”, John Gray
Gibt es härtere und weichere Disziplinen?
»Mutiges Meinen statt sauberer Analyse?«
Rentiert es sich für Studenten überhaupt noch, an diese Uni zu gehen? Welche Rolle spielt die Universität jenseits des Signalisierens und leidet nicht auch schon das Signalisieren unter den offensichtlichen Qualitätsmängeln?
“My best guess says signaling accounts for 80% of education’s return”, Bryan Kaplan
Der britische Premierminister Rishi Sunak beschreibt die Universität für viele als irreführenden Traum:
“Too many university students are sold a false dream”
Muss die Uni neu erfunden werden, oder ist eine schrittweise Verbesserung möglich und sinnvoll?
»Die Uni hat sich schon oft am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen, es gibt eigentlich keinen Grund, dass dies nicht wieder gelingen kann«
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 85: Naturalismus — was weiß Wissenschaft?
-
Episode 83: Robert Merton — Was ist Wissenschaft?
-
Episode 75: Gott und die Welt, ein Gespräch mit Werner Gruber und Erich Eder
-
Episode 67: Wissenschaft, Hype und Realität — ein Gespräch mit Stephan Schleim
-
Episode 49: Wo denke ich? Reflexionen über den »undichten« Geist
-
Episode 47: Große Worte
-
Episode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael Hartmann
-
Episode 34: Die Übersetzungsbewegung, oder: wie Ideen über Zeiten, Kulturen und Sprachen wandern – Gespräch mit Prof. Rüdiger Lohlker
-
Episode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!
-
Episode 6: Messen, was messbar ist?
Artikel und Referenzen von Prof. Sommer und Ehrmann
- Thomas Ehrmann, Michael Sommer, Willkommen an der Heidi-Klum-Universität, FAZ (2023)
- Thomas Ehrmann und Aloys Prinz, Aufgeweckte Kapitalisten, FAZ (2021)
- Aloys Prinz, Thomas Ehrmann, Academia as a league system, Journal of Business Economics (2021)
- Thomas Ehrmann und Aloys Prinz, Die Champions League lohnt sich nicht, FAZ (2022)
Fachliche Referenzen
- Max Koslow, ‘Disruptive’ science has declined — and no one knows why, Nature (2023)
- Nicholas Bloom et al, Are Ideas Getting Harder to Find? (2020)
- Julian Nida-Rümelin, Der Akademisierungswahn (2014)
- Jochen Hörisch, Die ungeliebte Universität – Rettet die Alma Mater, Carl Hanser (2006)
- Liessmann — Theorie der Unbildung, Piper (2008)
- John Gray im Gespräch mit Unheard (2023)
- Bryan Caplan, The Case against Education, Princeton University Press (2019)
- Anna I. Krylov, The Peril of Politicising Science (2021)
- Woke Antisemitism: A Reckoning, Quillett (2023)
- Konstantin Kisin, The Day the Delusions Died | The Free Press (2023)
- Rishi Sunak, Too many university students are sold a false dream, Telegraph (2023)
Saturday Jan 20, 2024
089 — The Myth of Left and Right, a Conversation with Prof. Hyrum Lewis
Saturday Jan 20, 2024
Saturday Jan 20, 2024
Is the political left and right position changing regularly? For many years now, I have been getting more and more uneasy when pundits and journalists use the “left/right” dichotomy. In my lifetime, I have observed numerous political topics that were once at the core of “left” politics that suddenly are named “right” and vice versa.
I then came across the book with the very name “The Myth of Left and Right” and it is a terrific read. So I was very excited that one of the authors, Hyrum Lewis agreed to a conversation.
Hyrum Lewis is a professor of history at BYU-Idaho and was previously a visiting scholar at Stanford University. He received a PhD from the University of Southern California and has written for the Wall Street Journal, Quillette, RealClearPolitics, The Washington Examiner, and other national publications. His most recent book, The Myth of Left and Right (co-authored with Verlan Lewis) was published by Oxford University Press in 2023.
Moreover, this episode fits very nicely with the previous episode with Prof. Möllers on liberalism, so if you are a German speaker, please check this one out as well.
Political realities do not map to a single variable or descriptor—there is no such thing as a political monism. Are “left” and “right” just post-hoc narratives where we try to construct ideologies that are not actually there?
We observe a regular flip-flopping in history; what are prominent examples?
“There is no left and right; there are just two tribes, and what these tribes believe and stand for will change quite radically over time since there is no philosophical core uniting the tribe.”
I, personally, have a profound problem with the term “progressive”, but more generally, what do these terms even mean: progressivism, conservatism, reactionary, liberal?
“It is a loaded and self-serving term […] what is considered progressive changes from day to day.”
“If you don't agree with every policy we believe in […] then you are obviously on the wrong side of history. You are standing against progress.”
So, are left and right not a philosophy but rather a tribe?
Is the definition of conservatism maybe easier? There is a nice brief definition: "Conservatism is democracy of the deceased,” Roger Scruton makes the astute observation that there are so many more ways to screw up and so little ways to do right. But does this help in practice?
“Every person on that planet wants to conserve things that are good and change things that are bad. We are all progressive, and we are all conservative. We just don't agree on what is good and what is bad.”
What are examples where positions are unclear or change over time.
“In 1903, President Theodore Roosevelt visited Yosemite and was guided by naturalist John Muir. The two men spent three memorable nights camping, first under the outstretched arms of the Grizzly Giant in the Mariposa Grove of Giant Sequoias, then in a snowstorm atop five feet of snow near Sentinel Dome, and finally in a meadow near the base of Bridalveil Fall. Their conversations and shared joy with the beauty and magnificence of Yosemite led Roosevelt to expand federal protection of Yosemite, and it inspired him to sign into existence five national parks, 18 national monuments, 55 national bird sanctuaries and wildlife refuges, and 150 national forests.”, Roosevelt, Muir, and the Grace of Place (NPR)
Teddy Roosevelt was a Republican. And here again, a “hiccup”: even though Teddy Roosevelt was a Republican, he called himself a progressive.
In reality, though, if you see someone on the street in a mask, you can predict with high certainty the other political assumptions of this person. How come? Is there now an underlying disposition, or is there not? Or is it much more a phenomenon of tribal or social conformity?
Is the left-right model, at least, useful? What can we learn from past US presidents such as Donald Trump, Bill Clinton, George W. Bush in that regard?
Is the political discourse at least more reasonable at universities and among “elites”? Or maybe even more troubled and more conforming to their very tribe?
If “normal” people are in general “moderate” on important topics (like abortion), why do major political parties play for the few on the extreme ends of the opinion spectrum?
More generally, some educated people describe themselves as “moderate” or “centrist.” Does this even mean anything, and would it be desirable?
What about “realism” vs. “utopianism”?
“Both status quo conservatives and progressive technocrats share a common element: the hostility to open-ended change, guided not by planners but by millions of experiments and trial and error. For both, the goal is stasis, it’s just that one group finds it in the past, the other one in the future.”, Virginia Postrel
A lot of these errors are made under the more elementary mistake that we can know, predict, or foresee the future, especially when we take actions. What can we learn from Phil Tetlock and Dan Gardners forecasting studies?
“To be a true progressive, you cannot be a progressive”
“Our media does not reward granular, careful, and probabilistic analysis.”
So, is it not more significant to distinguish between authoritarian and non-authoritarian politicians or political methods?
But can we be optimistic about the future when non-tribal podcasters like Joe Rogan or Coleman Hughes have audiences that are larger than most legacy media outlets combined?
Is democracy over time the best way to deal with complex situations and challenges? Is there a value in slowness, and are we not just too impatient?
References
Other Episodes
-
Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph Möllers
-
Episode 84: (Epistemische) Krisen? Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
-
Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
-
Episode 57: Konservativ UND Progressiv
Hyrum Lewis
- Hyrum Lewis at BYU-Idaho
- Hyrum Lewis, Verlan Lewis, The Myth of Left and Right, Oxford University Press (2022)
- Hyrum Lewis, It's Time to Retire the Political Spectrum, Quillette (2017)
- Hyrum Lews Blog
Other References
- Roger Scruton, How to be a conservative, Bloomsbury Continuum (2019)
- Johan Norberg, Open: The Story of Human Progress, Atlantic Books (2021)
- Karl Popper, The Poverty of Historicism, Routledge Classic
- Phil Tetlock, Dan Gardner, Superforecasting, Cornerstone Digital (2015)
- Tim Urban, What's Our Problem?: A Self-Help Book for Societies (2023)
- Nicholas Carr, The Shallows, Atlantic Books (2020)
- Roosevelt, Muir, and the Grace of Place
- Joe Rogan Podcast
- Coleman Hughes Podcast
Friday Jan 12, 2024
Friday Jan 12, 2024
Ich habe vor einiger Zeit das hochinteressante Buch »Freiheitsgrade« von Christoph Möllers gelesen. Ich hatte im vorigen Jahr die Gelegenheit, mit Prof. Möllers in Berlin zu sprechen:
Christoph Möllers studierte Rechtswissenschaften, Philosophie und Komparatistik in Tübingen, Madrid und München, habilitiert in Heidelberg und ist aktuell Permanent Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. In dieser Funktion beschäftigt er sich insbesondere um das Projekt Recht im Kontext. Zugleich arbeitet er an der Juristischen Fakultät der HU.
Er ist Träger des Leibniz-Preises der DFG, des Schader-Preises und des Tractatus-Preises sowie Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Was ist liberal, libertär wie unterscheidet sich die Verwendung international? Was ist der Zusammenhang mit der französischen Revolution?
»good things are easily destroyed, but not easily created.«, Roger Scruton über Konservativismus
Was ist das Paradox konservativer Politik? Bedeutet konservativ gestalten zu müssen bewahren? Was aber ist zu bewahren? Aber wie steht »links« oder »«liberal« im Vergleich dazu?
Welche Rolle spielt Intervention in verschiedenen Ideologien?
»intrinsic values emerge from social cooperation. They are not imposed by some outside authority or instilled through fear. They grow from below, through relations of love, respect and accountability.«, Roger Scruton
Welche Rolle spielen soziale- und Rechtsnormen? Wie wirken diese aufeinander? Gelingt die Gestaltung von Sozialnormen durch Rechtsnormen?
"Kommt zuerst die Sittlichkeit und dann die Rechtsform oder hat die Rechtsform auch Einflüsse?"
Warum sind die Libertären in Europa kaum vorhanden? (im Gegensatz zu den USA) Warum war die Prohibition in den USA möglich, während das in Europe nicht durchsetzbar gewesen wäre?
Was ist die Rolle von politischer Vielfalt, arbeiten wir heute aktiv dagegen?
Wie gestalten wir sinnvollerweise in komplexen Sachzusammenhängen? Bottom up oder top down? Wie bildet sich das auf die politischen Strömungen ab und was kann funktionieren?
»Linke« und »rechte« Parteien tauschen die regelmäßig Rollen und Ansichten, dazu wird es auch noch später eine weitere Episode geben — stay tuned!
»Moralisieren macht jede Verständigung unmöglich. […] Im Extremfall, der leider immer häufiger eintritt, sieht der politische Moralist im politischen Gegner einen Unmenschen. […] Politik ist der notwendige Kompromiss mit dem Bösen.«, Norbert Bolz
Ist Moralisieren etwas Neues in der Politik?
»Entrüstung gilt heute als Echtheitsbeweis, aber wer moralisch entrüstet ist, kann nicht mehr klar denken.«, Norbert Bolz
Steigt die Aggressivität in der politischen Auseinandersetzung, erleben wir eine Verrohung des Diskurses bei gleichzeitigem Verschwimmen von Privatsphäre und Öffentlichkeit? Besteht hier ein Zusammenhang mit dem beschriebenen Moralisieren? Wenn die Schwellen der Kommunikation verschwinden (auch technisch), was sind die Konsequenzen?
“Transparenz ist das Schlagwort der zweiten Aufklärung.”, Byung-Chul Han
Ist mehr Transparenz (in Politik, Gesellschaft) wirklich immer besser? Die Gefahren der Transparenz (Byung Chul-Han). Das Panoptikon ist eigentlich offensichtlich kein Bild der Freiheit und dennoch wird Transparenz heute so verkauft.
Braucht Freiheit Intransparenz? Hilft Transparenz wenigstens Korruption zu verringern?Besteht ein Zusammenhang damit, dass wir in den westlichen Gesellschaften immer weniger auf die Reihe bekommen?
Wie sieht es mit Handlungsfähigkeit gegenüber individuellen Rechten aus?
»Demokratie ist eine träge Maschinerie, konzipiert, um Entscheidungen zu verlangsamen«, Herfried Münkler
Ist die prozessualisierte Langsamkeit nicht vielleicht in Summe doch schneller? Wie steht es um Konsensbildung vs. Konfrontation?
Wenn wir Menschen wie Kinder behandeln verhalten sie sich wie Kinder? Was ist vom »Nudgen« zu halten? Sind die Bürger zu blöd selbst zu denken aber doch schlau genug zu wählen — pflegen viele Eliten nicht ein paternalistisches Bild, das zutiefst undemokratisch und auch fundamental falsch ist?
Ist die klassische sozialdemokratische Idee »von der Wiege bis zur Bahre« einer der Bevormundung oder der Ermächtigung der Massen zur Selbstbestimmung? Muss man intervenieren um Chancengleichheit zu bekommen?
»Es ist ein Dilemma linker Politik, besonders an materieller Versorgung interessiert zu sein, aber keine Mechanismen anbieten zu können, die diese freiheitsfreundlich gewährleisten.«
Was sind die Schattenseiten der Aufklärung?
Gibt es katholische und protestantische Atheisten?
Was ist von Meritokratie zu halten? Der amerikanische Philosoph Michael Sandel sieht diese ja sehr skeptisch. Zurecht? Woran liegt Chancenungleich? Betreiben wir regelmäßig Survivorship Bias? Welche Rolle spielt das Glück?
Wie werden Rechte wahrgenommen und entwickeln sich über die Zeit und warum kann die Nutzung von Rechten zu Irritationen führen?
Was bedeutet Meinungsfreiheit. Mangelt es an Meinungsfreiheit oder an zivilisiertem Umgang? Was haben wir am Beispiel von Twitter über Zensur und staatliche Intervention gelernt? Welche Rolle spielen privatwirtschaftliche Internet-Plattformen? Wie können diese gesellschaftlich reguliert werden?
Wie spielen Krise und Freiheit zusammen? Wer hat die Deutungshoheit, was eine Krise ist und wer definiert die Konsequenzen? Ist dies ein Konflikt Alt gegen Jung? Wer setzt Prioritäten?
Wie hat sich der Begriff der Freiheit von John Stuart Mill bis zur heutigen Zeit verändert, ist diese Veränderung wünschenswert?
»Aus fundamentalen Abwehrrechten gegenüber staatlicher Gewalt und Willkür wurden ausufernde Anspruchsrechte, für deren Einlösung ein paternalistisch gedachter Staat verantwortlich gemacht werden soll. Aus dem Recht der Bürger, nach ihrem Glück zu streben, wurde längst die Pflicht des Staates, für dieses Glück zu sorgen. Dass in einer Demokratie die Bürger diesen Staat ausmachen und deshalb solche Forderungen an sich selbst adressieren müssten, wird gerne vergessen. Die Einsicht, dass es keine Rechte ohne Pflichten gibt, wird heute ziemlich einseitig interpretiert: Die Rechte des einen sind jedoch stets die Pflichten des anderen.«, Konrad Paul Liessmann
Was geschieht, wenn die Freiheit dazu führt, dass die Menschen die Freiheit abschaffen oder reduzieren wollen?
"Es funktioniert auch unglaublich viel."
Kritisieren wir auf hohem Niveau? ist das unhistorisch?
»Die Intellektuellen scheinen sich geradezu verschworen zu haben, uns immer wieder zu erzählen, wie schlecht die Welt ist, in der wir leben. Ich halte das für einen fürchterlichen Unsinn, eine wirkliche Lüge, die aber fast allgemein geglaubt wird. In der Zeit meiner Jugend, gab es in Deutschland, Österreich, Frankreich, England noch Sklaverei. Vor allem Frauen waren damals versklavt – als Haushaltsgehilfinnen, Köchinnen, Wäscherinnen usw. […] Daneben hat es fürchterliches Elend gegeben.«, Karl Popper
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
-
Episode 65: Getting Nothing Done — Teil 2
-
Episode 64: Getting Nothing Done — Teil 1
-
Episode 58: Verwaltung und staatliche Strukturen — ein Gespräch mit Veronika Lévesque
-
Episode 57: Konservativ UND Progressiv
-
Episode 44: Was ist Fortschritt? Ein Gespräch mit Philipp Blom
-
Episode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael Hartmann
Christoph Möllers
- Lehrstuhl Christoph Möllers
- Christoph Möllers, Werdegang
- Christoph Möllers, Freiheitsgrade, Suhrkamp (2020)
Fachliche Referenzen
- Norbert Bolz, Keine Macht der Moral, Matthes und Seitz Berlin (2021)
- Byung-Chul Han, Psychopolitik, S. Fischer (2014)
- Panopticon (Wikipedia)
- Nudging: Jesse Singal, The Quick Fix: Why Fad Psychology Can't Cure Our Societal Ills, Farrar, Straus and Giroux (2021)
- Von der Wiege bis zur Bahre — Sozialdemokratie
- The Free Press, Why we went to Twitter
- Marshall Matters (Spectator), Michael Shellenberger, The Censorship Industrial Complex (2023)
- Konrad Paul Liessmann, Lauter Lügen, Paul Zsolnay (2023)
- John Stuart Mill, On Liberty, Project Gutenberg (1859)
- Karl Popper, Ich weiß, dass ich nichts weiß – und kaum das (1991)
Monday Nov 20, 2023
084 — (Epistemische) Krisen? Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
Monday Nov 20, 2023
Monday Nov 20, 2023
Der heutige Gesprächspartner ist wieder Jan David Zimmermann, was mich sehr freut! Jan ist Autor, Journalist und Wissenschaftsforscher, hat auch gerade ein neues und äußerst empfehlenswertes Buch herausgebracht — Lethe, Vom Vergessen des Totalitären. Außerdem ist er Redakteur beim Stichpunkt-Magazin.
Das heutige Thema ist »(Epistemische) Krisen?«.
Eine Anmerkung vorweg: wir haben die Episode vor dem Hamas-Terroranschlag aufgenommen. Wir beide sind von der darauf folgenden Welle des Antisemitismus in Europa, den USA und Australien zutiefst schockiert. Besonders erschreckend ist daran natürlich die Tatsache, dass zahlreiche antisemitische und unfassbar inhumane Äußerungen von Personen, die zuvor als Intellektuelle bezeichnet wurden, stammen — Personen, die an Unis unterrichten, in Medien arbeiten, oder in politischen Funktionen tätig sind. Hier findet sich leider wir ein Thema bestätigt, das ich in vergangenen Episoden angesprochen habe und auch in zukünftigen Episoden thematisieren werde: einen bedrückenden Verlust an intellektueller Redlichkeit und Qualität in wesentlichen gesellschaftlichen Institutionen wie etwa Universitäten.
Aber selbst wenn wir später aufgenommen hätten, hätte ich dieses Thema ohnedies noch nicht im Podcast aufgreifen wollen. Auch wenn die Eckpunkte dieses Konfliktes sehr klar sind, viele Details und Folgen sind es nicht. Den Grund habe ich in früheren Episoden schon mal erklärt: dieser Podcast beschäftigt sich ganz bewusst nicht mit aktuellen Themen. Ich möchte hier nicht im medialen Rennen um die knalligste Spekulation beteiligen. In der heutigen Medienlandschaft dominiert das Rauschen und erst, wenn der Lärm leiser geworden ist, oft nach einigen Jahren, kann man anfangen, solche Themen vernünftig und in der Tiefe aufzuarbeiten.
Daher habe ich auch erst in diesem Jahr begonnen, Covid als Thema langsam aufzugreifen und weitere Folgen sind in Vorbereitung.
Aber zurück zu dieser Episode: Was ist eine (epistemische) Krise? Mit welchen Transformationen haben wir seit 2020 zu tun? Fallen wir von einer Krise in die nächste, oder doch nicht? Warum ist der Krisenbegriff selbst schwierig? Wer definiert eigentlich, was eine Krise ist und wie groß sich diese darstellt, denken wir an die stete Aufrüstung der Worte um noch Gehör zu finden: zur gleichen Zeit, wie die IPCC-Szenarien mit dem letzten Bericht optimistischer werden, wird die Sprache aufgerüstet, aus dem Klimawandel wird die Klimakrise und nun die Klimakatastrophe. Was folgt als Nächstes?
Und die Krisen machen vor sich selbst nicht halt, denn diejenigen, die die Krisen ausrufen, unsere Institutionen und Universitäten, stecken selbst in einer schweren Krise. Wir erleben also vermeintlich multilple Krisen, und trotzdem fällt es der Gesellschaft schwer sich auf gemeinsame Momente zu einigen!
Ein Kristallisationpunkt des Diskurses ist das Intenet? Aber welche Rolle spielt es: ist es totalitär und radikal, verdummend oder eher das Gegenteil? Wird gar die Komplexität der Welt heute besser gespiegelt als je zuvor, nur gefällt dies manchen nicht, die sich zuvor in der Deutungshoheit gesehen haben?
Wie kann man der Gesellschaft komplexe Verhältnisse vermitteln?
“If you’re not confuse you’re not paying attention”, Tom Peters
Oder ist die Komplexität vielleicht nur ein Auswuchs, eine Täuschung der Verwirrungen des postmodernen Relativismus? Wer kann urteilen, oder besser: wem trauen wir Urteilskraft zu?
Intellektuelle Bescheidenheit und Umgang mit Fehlern und Fehleinschätzungen scheinen immer wesentlicher zu werden und sind dennoch selten zu finden.
»Das ist das Prinzip der dauernden Fehlerkorrektur: die Methode, dauernd nach Fehlern zu suchen und frühzeitig kleine und beginnende Fehler zu korrigieren. Diese Methode der rechtzeitigen Fehlerkorrektur zu verfolgen ist nicht nur eine Weisheitsregel, sondern geradezu eine moralische Pflicht: Es ist die Pflicht zur dauernden Selbstkritik, zum dauernden Lernen, zu dauernden kleinen Verbesserungen unserer Einstellung, unserer Urteile – auch der moralischen – und unserer Theorien. Hier wird das Können zum Sollen: wir können aus unseren Fehlern lernen; darum ist es unsere Pflicht, aus unseren Fehlern zu lernen.«, Karl Raimund Popper
Kann Selbstkritik als moralische Pflicht gelten? Wie sieht es mit Heinz von Foersters Beobachtung zweiter Ordnung aus, und welche Rolle spielt das ständige Reframen eigentlich klarer Sachverhalte? Müssen wir die Krise überwinden oder führt sie ohnedies zu neuen Bedingungen, die besser sind als zuvor?
Wie sieht es mit der sozialen Regulierung von Wissensformen aus, anders gesagt, was können wir von Seiten der wissensoziologischen Diskussion lernen? Gibt es so etwas wie illegitimes Wissen? Wie ist das Verhältnis zwischen Experten/Wissenschaftern und Politik?
Wir gehen dann noch etwas weiter ins 20. Jahrhundert zurück und kommen (metaphorisch) zu Thomas Kuhns Paradigmenwechsel und stellen die Frage: Wenn der Schleier gefallen ist, möchte man wieder in den Nebel zurück?
Was ist von Wissenschaftsskepsis zu halten? Ist dies ein Problem oder eine große Chance für unsere Gesellschaft?
Aller vermeintlicher Inklusivitätsbemühungen zum Trotz scheint das Gegenteil zu passieren und wir werden immer ambiguitätsintolerater. Aus »anything goes« wird »nothing goes«. Komplexe Menschen, die wichtige Beiträge für unsere Gesellschaft leisten, können in anderen Aspekte völlig irren, man denke an Wissenschafter wie Isaac Newton oder Kary Mullis.
Was können wir noch von Ernst von Glasersfeld, und Heinz von Foerster, den radikaler Konstruktivsten, lernen? Dann kommen wir auf die Frage, ob die Geisteswissenschaften sich an den Naturwissenschaften orientieren sollen? Wir vertagen diese Frage aber auf eine andere Episode.
Wie kommt es eigentlich in der Wissenschaft zur Meinungsbildung, welche Rolle spielen Epistemic Communities, und was ist von Gruppenbildung in der Wissenschaft zu halten? Pierre Bourdieu spricht vom Homo Academicus, Ludwig Fleck von Denkkollektiven.
In welchem Zusammenhang steht das zu den moderneren Formulierungen wie »Trust the Science« oder gar »Follow the Science«? Was ist die Triple Helix von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik?
Wie stehen diese Überlegungen zu der Tatsache, dass Fortschritt nur mit heterodoxem und orthodoxem Denken gemeinsam zu bekommen ist? Was bedeutet dies für Diversität in Wissenschaft und Eliten in Theorie und Praxis? Welchen Schaden richtet dabei das heute überall zu erlebende Pseudo-Qualitätsmanagement an?
»Nicht mehr die Wahrheit hat hier eine Macht, sondern was Macht über uns hat legitimieren wir theoretisch als das Wahre.«, Hans Blumenberg
Wie kann es gelingen, Fehlerkultur guter (!) Wissenschaft in die Politik mitnehmen? Dabei aber gleichzeitig nicht den Fehler von über-Rationalisierung zu begehen, also Wissenschaft als rationales Schild für Politik und Management zu missbrauchen?
»Viele Menschen lächeln über altmodische Wahrsager. Doch sobald die Hellseher mit Computern arbeiten, nehmen wir ihre Vorhersagen ernst und sind bereit, für sie zu zahlen.«, Gerd Gigerenzer
Dabei stelle ich wieder einmal die fundamentale Frage: wollen Menschen belogen, oder würde Wahrheit politisch belohnt werden? Ich glaube zweiteres, aber was ist Jans Meinung?
Zuletzt stellt sich die ernüchternde Frage, ob wir die Dimension eines großen Umbruches während des Umbruches überhaupt verstehen kann?
Wer die erste Episode mit Jan noch nicht gehört hat, unbedingt Nachhören!
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
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Episode 79: Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica Thompson
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Episode 74: Apocalype Always
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Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
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Episode 47: Große Worte
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Episode 45: Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise?
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Episode 39: Follow the Science?
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Episode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael Hartmann
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Episode 37: Probleme und Lösungen
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Episode 27: Wicked Problems
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Episode 25: Entscheiden unter Unsicherheit
Jan David Zimmermann
- Homepage von Jan
- Jan David Zimmermann, LETHE. Vom Vergessen des Totalitären, als vobiscum (2023)
- Stichpunkt Magazin
- Facebook: Jan D. Zimmermann
- Instagram: j._zimmermann
Fachliche Referenzen
- Karl Popper: Das Elend des Historizismus. Mohr Siebeck, Tübingen 2003, S. XI [Vorwort zur deutschen Ausgabe]
- Reason TV, The Truth about Sweden's COVID Policy (2023)
- Uwe Pörsken: Plastikwörter. Die Sprache einer internationalen Diktatur. Klett-Cotta 2011 (ursprünglich erschienen: 1988)
- Mai'a K. Davis Cross, Rethinking epistemic communities twenty years later (2012)
- Ludwik Fleck, Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv, Suhrkamp (1980)
- Peter M. Haas, Introduction: Epistemic Communities and International Policy Coordination, International Organization, Vol. 46, No. 1, Knowledge, Power, and International PolicyCoordination (Winter, 1992), pp. 1-35
- Hyrum Lewis & Verlan Lewis, The Myth of Left and Right: How the Political Spectrum Misleads and Harms America, Oxford University Press (2022)
- Mitchell G . Ash, Wissenschaft und Politik als Ressourcen füreinander (2002)
- Hans Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie. Suhrkamp, Frankfurt a.M .1960, S.22.
- Gerd Gigerenzer, Risiko – Wie man die richtigen Entscheidungen trifft, Pantheon (2020)