Episodes
Sunday Mar 10, 2024
092 — Wissen und Expertise Teil 2
Sunday Mar 10, 2024
Sunday Mar 10, 2024
In Episode 80 habe ich mich schon einmal mit dem Thema Wissen und Expertise auseinandergesetzt, damals eher mit dem Fokus auf die Frage wie gut (oder schlecht) Prognosen in der Realität sind, und woran das liegen könnte.
In dieser Episode versuche ich einige weitere Gedanken zu entwerfen und ersuche explizit um Feedback, was Sie davon halten.
Ich diskutiere einige Ideen zu den Fragen:
- Wo steckt in einer Gesellschaft Wissen, wo steckt Expertise
- Gibt es Grenzen der Expertise (in komplexen Systemen)
- Wie kann sich das Verhältnis von Expertise zu Wissen über die Zeit verändern
- In welchem Verhältnis stehen diese beiden Begriffe generell zueinander
Das Ganze natürlich wieder mit zahlreichen Beispielen.
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 86: Climate Uncertainty and Risk, a conversation with Dr. Judith Curry
-
Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
-
Episode 79: Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica Thompson
-
Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
-
Episode 68: Modelle und Realität, ein Gespräch mit Dr. Andreas Windisch
-
Episode 41: Intellektuelle Bescheidenheit: Was wir von Bertrand Russel und der Eugenik lernen können
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Episode 39: Follow the Science?
-
Episode 37: Probleme und Lösungen
-
Episode 27: Wicked Problems
-
Episode 25: Entscheiden unter Unsicherheit
-
Episode 17: Kooperation
Fachliche Referenzen
- Dieter Macek: Eine Gesamtgenealogie der griechisch-mediterranen Mythologie
- Thomas Sowell, Intellectuals and Society, Basic Books (2012)
- Matt Ridley, How Innovation Works, Fourth Estate (2020)
- Aspirin & Salizylsäure
- Nobelpreis zur Acetylsalicylsäure: Sir John Robert Vane (1982)
- Calvin Coolidge
- The Medical Context of Calvin Jr.’s Untimely Death (Coolidge Foundation)
Monday Feb 26, 2024
Monday Feb 26, 2024
Ich freue mich, dass ich Prof. Ehrmann und Prof. Sommer gewinnen konnte, um über die erheblichen Probleme der heutigen Forschungs- und Uni-Landschaft zu sprechen. Ist die Universität zu einem Turnier verkommen, das eher einem Heidi-Klum-Wettbewerb entspricht als ernsthafter Wissenschaft?
Prof. Ehrmann leitet das Institut für Strategisches Management an der Universität Münster. Er hat eine weite Erfahrung sowohl in der Wissenschaft als auch in Industrie und Politik, so war er unter anderem Senior Manager bei PWC Corporate Finance und 17 Jahre lang Mitglied der Advisory Group der Deutschen Bahn.
Prof. Michael Sommer studierte Alte Geschichte, Latein, Griechisch, Politikwissenschaften, neuere Geschichte und Vorderasiatische Archäologie. Nach seiner Promotion an der Universität Freiburg verbrachte er zwei Jahre als Visiting Fellow am Wolfson College in Oxford. Von 2005 bis 2012 war er Dozent für Alte Geschichte an der Universität von Liverpool. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Wirtschafts-, Sozial-, Mentalitäts- und Institutionsgeschichte des Römischen Reiches und die Geschichte der Levante in allen Epochen.
Wird Volkswirtschaft naturwissenschaftlich(er)? Was ist die Währung in der Wissenschaft? Welche Bedeutung und Folge(n) hat die Replikationskrise, die in der Psychologie große Wellen geschlagen hat, aber im Grunde weite Bereiche der Wissenschaft betrifft?
Was ist von Drittmitteln als Kriterium für wissenschaftlichen Erfolg zu halten und welche Effekte haben ständige Evaluierungen? Führt dies zu einem selbstzerstörerischen System?
Es gibt gute Hinweise darauf, dass Qualität und Output in der Wissenschaft stetig zurückgehen, was ist davon zu halten? Es wird viel »Wissen« generiert, aber ist dieses »Wissen« weitgehend nutzlos oder gar Pseudowissenschaft? Was ist der Zusammenhang zwischen eingesetzten Steuermitteln und wissenschaftlichen Ergebnissen?
Aber nicht nur die Wissenschaft ist in der Krise, auch die Ausbildung ist betroffen; wird etwa die Studierfähigkeit der jungen Studenten immer schlechter und ist die stetig zunehmende Akademisierung des Landes sinnvoll? War die Bologna-Reform ein Fehler?
»Brauchen wir 10.000 Leute, die Gender-Studies studieren, während es auf der anderen Seite an Klempnern und Pflegekräften mangelt.«
Ist der Akademiker von heute von der Qualifikation kaum dem Maturant/Abiturient der Vergangenheit überlegen? Wenn das so weitergeht: nennen wir die Uni in wenigen Jahrzehnten Berufschule? Das kann doch kaum eine effiziente Form der Ausbildung sein? Nicht jeder ist Einstein — an welcher Stelle erfolgt die Selektion? Je später sie erfolgt, desto schmerzhafter ist sie für den Einzelnen und desto teurer für das System?
»Die Snowflakes, die da von der Uni kommen [Lehramt], denen hat nie jemand gesagt, dass ihre Arbeit eigentlich Scheiße ist und die sitzen jetzt im Studienseminar und sind zum ersten Mal Kritik ausgesetzt«
In welchem Zusammenhang steht der an den Unis (vor allem in den USA) überkochende Antisemitismus mit den oben genannten Problemen? Hat der woke Unfug nun tatsächlich die Überhand gewonnen?
»Das Einschränken von Meinungskorridoren, das Niederbrüllen von Meinungen die einem nicht passen […] ist eine direkte Folge des Kompetenzrückgangs«
Erleben wir Zensur von oben oder eher eine eigenartige Form der intellektuellen Selbstverstümmelung?
“The restraints on freedom of speech and repression that are existing on formally liberal societies are not imposed by dictatorial or authoritarian governments on the whole. They are imposed by civil institutions themselves.”, John Gray
Gibt es härtere und weichere Disziplinen?
»Mutiges Meinen statt sauberer Analyse?«
Rentiert es sich für Studenten überhaupt noch, an diese Uni zu gehen? Welche Rolle spielt die Universität jenseits des Signalisierens und leidet nicht auch schon das Signalisieren unter den offensichtlichen Qualitätsmängeln?
“My best guess says signaling accounts for 80% of education’s return”, Bryan Kaplan
Der britische Premierminister Rishi Sunak beschreibt die Universität für viele als irreführenden Traum:
“Too many university students are sold a false dream”
Muss die Uni neu erfunden werden, oder ist eine schrittweise Verbesserung möglich und sinnvoll?
»Die Uni hat sich schon oft am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen, es gibt eigentlich keinen Grund, dass dies nicht wieder gelingen kann«
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 85: Naturalismus — was weiß Wissenschaft?
-
Episode 83: Robert Merton — Was ist Wissenschaft?
-
Episode 75: Gott und die Welt, ein Gespräch mit Werner Gruber und Erich Eder
-
Episode 67: Wissenschaft, Hype und Realität — ein Gespräch mit Stephan Schleim
-
Episode 49: Wo denke ich? Reflexionen über den »undichten« Geist
-
Episode 47: Große Worte
-
Episode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael Hartmann
-
Episode 34: Die Übersetzungsbewegung, oder: wie Ideen über Zeiten, Kulturen und Sprachen wandern – Gespräch mit Prof. Rüdiger Lohlker
-
Episode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!
-
Episode 6: Messen, was messbar ist?
Artikel und Referenzen von Prof. Sommer und Ehrmann
- Thomas Ehrmann, Michael Sommer, Willkommen an der Heidi-Klum-Universität, FAZ (2023)
- Thomas Ehrmann und Aloys Prinz, Aufgeweckte Kapitalisten, FAZ (2021)
- Aloys Prinz, Thomas Ehrmann, Academia as a league system, Journal of Business Economics (2021)
- Thomas Ehrmann und Aloys Prinz, Die Champions League lohnt sich nicht, FAZ (2022)
Fachliche Referenzen
- Max Koslow, ‘Disruptive’ science has declined — and no one knows why, Nature (2023)
- Nicholas Bloom et al, Are Ideas Getting Harder to Find? (2020)
- Julian Nida-Rümelin, Der Akademisierungswahn (2014)
- Jochen Hörisch, Die ungeliebte Universität – Rettet die Alma Mater, Carl Hanser (2006)
- Liessmann — Theorie der Unbildung, Piper (2008)
- John Gray im Gespräch mit Unheard (2023)
- Bryan Caplan, The Case against Education, Princeton University Press (2019)
- Anna I. Krylov, The Peril of Politicising Science (2021)
- Woke Antisemitism: A Reckoning, Quillett (2023)
- Konstantin Kisin, The Day the Delusions Died | The Free Press (2023)
- Rishi Sunak, Too many university students are sold a false dream, Telegraph (2023)
Wednesday Feb 07, 2024
090 – Unintended Consequences (Unerwartete Folgen)
Wednesday Feb 07, 2024
Wednesday Feb 07, 2024
Im heutigen Podcast werde ich einige unterhaltsame aber auch ernsthafte Geschichten erzählen, zu einem Thema, das ich in verschiedenen anderen Episoden schon angesprochen habe: »Unintended Consequences — Unerwartete Folgen«
In dieser Episode wird es also weniger um eine tiefe Analyse der Gründe für unerwartete Folgen bestimmter Maßnahmen gehen, sondern es soll vielmehr die Breite und Tragweite der Problematik anschaulich gemacht werden. Dies trifft sowohl auf die Fälle zu, wo die unerwünschten Folgen negativer als auch positiver Natur sind.
In der Episode spreche ich Beispiele aus der Chemie, der Ökologie, Politik und Wissenschaft an. Es ist auch das erste Mal, dass mit Barbara Streisand eine Schauspielerin und Sängerin thematisiert wird, oder besser gesagt, ihre Villa am Strand!
Welche Rolle spielen simple und komplexe Systeme, oder Probleme mit engem oder weitem Kontext?
Was können wir tun, um schwerwiegende unerwünschte Folgen zu vermeiden und positive zu begünstigen?
“All history is the history of unintended consequences.”, T. J. Jackson Lears
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 86: Climate Uncertainty and Risk, a conversation with Dr. Judith Curry
-
Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
-
Episode 76: Existentielle Risiken
-
Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
-
Episode 69: Complexity in Software
-
Episode 37: Probleme und Lösungen
-
Episode 27: Wicked Problems
-
Episode 25: Entscheiden unter Unsicherheit
-
Episode 23: Frozen Accidents
-
Episode 10: Komplizierte Komplexität
Fachliche Referenzen
- Rory Sutherland, Alchemy, Virgin Digital (2019)
- Los Angeles Times, Unintended consequences of conserving water: leaky pipes, less revenue, bad odors (2015)
- Rachel Carson, Silent Spring, Penguin Classic (1962)
- Bloomberg, Tree Planting Program in Mexico may Encourage Deforestation (2021)
- Tokunaga, E., Yamamoto, T., Ito, E. et al. Understanding the Thalidomide Chirality in Biological Processes by the Self-disproportionation of Enantiomers. Sci Rep 8, 17131
- Barbara Streisand Estate (Photo): Copyright (C) 2002 Kenneth & Gabrielle Adelman, California Coastal Records Project
- Thomas Sowell, Intellectuals and Society, Basic Books (2012)
- Vaclav Smil, Invention and Innovation: A Brief History of Hype and Failure, MIT Press (2023)
- Reason TV, Great Moments in Unintended Consequences (YouTube Playlist)
- Niall Ferguson on Regulation (YouTube), Zitat T. J. Jackson Lears
Saturday Jan 20, 2024
089 — The Myth of Left and Right, a Conversation with Prof. Hyrum Lewis
Saturday Jan 20, 2024
Saturday Jan 20, 2024
Is the political left and right position changing regularly? For many years now, I have been getting more and more uneasy when pundits and journalists use the “left/right” dichotomy. In my lifetime, I have observed numerous political topics that were once at the core of “left” politics that suddenly are named “right” and vice versa.
I then came across the book with the very name “The Myth of Left and Right” and it is a terrific read. So I was very excited that one of the authors, Hyrum Lewis agreed to a conversation.
Hyrum Lewis is a professor of history at BYU-Idaho and was previously a visiting scholar at Stanford University. He received a PhD from the University of Southern California and has written for the Wall Street Journal, Quillette, RealClearPolitics, The Washington Examiner, and other national publications. His most recent book, The Myth of Left and Right (co-authored with Verlan Lewis) was published by Oxford University Press in 2023.
Moreover, this episode fits very nicely with the previous episode with Prof. Möllers on liberalism, so if you are a German speaker, please check this one out as well.
Political realities do not map to a single variable or descriptor—there is no such thing as a political monism. Are “left” and “right” just post-hoc narratives where we try to construct ideologies that are not actually there?
We observe a regular flip-flopping in history; what are prominent examples?
“There is no left and right; there are just two tribes, and what these tribes believe and stand for will change quite radically over time since there is no philosophical core uniting the tribe.”
I, personally, have a profound problem with the term “progressive”, but more generally, what do these terms even mean: progressivism, conservatism, reactionary, liberal?
“It is a loaded and self-serving term […] what is considered progressive changes from day to day.”
“If you don't agree with every policy we believe in […] then you are obviously on the wrong side of history. You are standing against progress.”
So, are left and right not a philosophy but rather a tribe?
Is the definition of conservatism maybe easier? There is a nice brief definition: "Conservatism is democracy of the deceased,” Roger Scruton makes the astute observation that there are so many more ways to screw up and so little ways to do right. But does this help in practice?
“Every person on that planet wants to conserve things that are good and change things that are bad. We are all progressive, and we are all conservative. We just don't agree on what is good and what is bad.”
What are examples where positions are unclear or change over time.
“In 1903, President Theodore Roosevelt visited Yosemite and was guided by naturalist John Muir. The two men spent three memorable nights camping, first under the outstretched arms of the Grizzly Giant in the Mariposa Grove of Giant Sequoias, then in a snowstorm atop five feet of snow near Sentinel Dome, and finally in a meadow near the base of Bridalveil Fall. Their conversations and shared joy with the beauty and magnificence of Yosemite led Roosevelt to expand federal protection of Yosemite, and it inspired him to sign into existence five national parks, 18 national monuments, 55 national bird sanctuaries and wildlife refuges, and 150 national forests.”, Roosevelt, Muir, and the Grace of Place (NPR)
Teddy Roosevelt was a Republican. And here again, a “hiccup”: even though Teddy Roosevelt was a Republican, he called himself a progressive.
In reality, though, if you see someone on the street in a mask, you can predict with high certainty the other political assumptions of this person. How come? Is there now an underlying disposition, or is there not? Or is it much more a phenomenon of tribal or social conformity?
Is the left-right model, at least, useful? What can we learn from past US presidents such as Donald Trump, Bill Clinton, George W. Bush in that regard?
Is the political discourse at least more reasonable at universities and among “elites”? Or maybe even more troubled and more conforming to their very tribe?
If “normal” people are in general “moderate” on important topics (like abortion), why do major political parties play for the few on the extreme ends of the opinion spectrum?
More generally, some educated people describe themselves as “moderate” or “centrist.” Does this even mean anything, and would it be desirable?
What about “realism” vs. “utopianism”?
“Both status quo conservatives and progressive technocrats share a common element: the hostility to open-ended change, guided not by planners but by millions of experiments and trial and error. For both, the goal is stasis, it’s just that one group finds it in the past, the other one in the future.”, Virginia Postrel
A lot of these errors are made under the more elementary mistake that we can know, predict, or foresee the future, especially when we take actions. What can we learn from Phil Tetlock and Dan Gardners forecasting studies?
“To be a true progressive, you cannot be a progressive”
“Our media does not reward granular, careful, and probabilistic analysis.”
So, is it not more significant to distinguish between authoritarian and non-authoritarian politicians or political methods?
But can we be optimistic about the future when non-tribal podcasters like Joe Rogan or Coleman Hughes have audiences that are larger than most legacy media outlets combined?
Is democracy over time the best way to deal with complex situations and challenges? Is there a value in slowness, and are we not just too impatient?
References
Other Episodes
-
Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph Möllers
-
Episode 84: (Epistemische) Krisen? Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
-
Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
-
Episode 57: Konservativ UND Progressiv
Hyrum Lewis
- Hyrum Lewis at BYU-Idaho
- Hyrum Lewis, Verlan Lewis, The Myth of Left and Right, Oxford University Press (2022)
- Hyrum Lewis, It's Time to Retire the Political Spectrum, Quillette (2017)
- Hyrum Lews Blog
Other References
- Roger Scruton, How to be a conservative, Bloomsbury Continuum (2019)
- Johan Norberg, Open: The Story of Human Progress, Atlantic Books (2021)
- Karl Popper, The Poverty of Historicism, Routledge Classic
- Phil Tetlock, Dan Gardner, Superforecasting, Cornerstone Digital (2015)
- Tim Urban, What's Our Problem?: A Self-Help Book for Societies (2023)
- Nicholas Carr, The Shallows, Atlantic Books (2020)
- Roosevelt, Muir, and the Grace of Place
- Joe Rogan Podcast
- Coleman Hughes Podcast
Friday Jan 12, 2024
Friday Jan 12, 2024
Ich habe vor einiger Zeit das hochinteressante Buch »Freiheitsgrade« von Christoph Möllers gelesen. Ich hatte im vorigen Jahr die Gelegenheit, mit Prof. Möllers in Berlin zu sprechen:
Christoph Möllers studierte Rechtswissenschaften, Philosophie und Komparatistik in Tübingen, Madrid und München, habilitiert in Heidelberg und ist aktuell Permanent Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. In dieser Funktion beschäftigt er sich insbesondere um das Projekt Recht im Kontext. Zugleich arbeitet er an der Juristischen Fakultät der HU.
Er ist Träger des Leibniz-Preises der DFG, des Schader-Preises und des Tractatus-Preises sowie Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Was ist liberal, libertär wie unterscheidet sich die Verwendung international? Was ist der Zusammenhang mit der französischen Revolution?
»good things are easily destroyed, but not easily created.«, Roger Scruton über Konservativismus
Was ist das Paradox konservativer Politik? Bedeutet konservativ gestalten zu müssen bewahren? Was aber ist zu bewahren? Aber wie steht »links« oder »«liberal« im Vergleich dazu?
Welche Rolle spielt Intervention in verschiedenen Ideologien?
»intrinsic values emerge from social cooperation. They are not imposed by some outside authority or instilled through fear. They grow from below, through relations of love, respect and accountability.«, Roger Scruton
Welche Rolle spielen soziale- und Rechtsnormen? Wie wirken diese aufeinander? Gelingt die Gestaltung von Sozialnormen durch Rechtsnormen?
"Kommt zuerst die Sittlichkeit und dann die Rechtsform oder hat die Rechtsform auch Einflüsse?"
Warum sind die Libertären in Europa kaum vorhanden? (im Gegensatz zu den USA) Warum war die Prohibition in den USA möglich, während das in Europe nicht durchsetzbar gewesen wäre?
Was ist die Rolle von politischer Vielfalt, arbeiten wir heute aktiv dagegen?
Wie gestalten wir sinnvollerweise in komplexen Sachzusammenhängen? Bottom up oder top down? Wie bildet sich das auf die politischen Strömungen ab und was kann funktionieren?
»Linke« und »rechte« Parteien tauschen die regelmäßig Rollen und Ansichten, dazu wird es auch noch später eine weitere Episode geben — stay tuned!
»Moralisieren macht jede Verständigung unmöglich. […] Im Extremfall, der leider immer häufiger eintritt, sieht der politische Moralist im politischen Gegner einen Unmenschen. […] Politik ist der notwendige Kompromiss mit dem Bösen.«, Norbert Bolz
Ist Moralisieren etwas Neues in der Politik?
»Entrüstung gilt heute als Echtheitsbeweis, aber wer moralisch entrüstet ist, kann nicht mehr klar denken.«, Norbert Bolz
Steigt die Aggressivität in der politischen Auseinandersetzung, erleben wir eine Verrohung des Diskurses bei gleichzeitigem Verschwimmen von Privatsphäre und Öffentlichkeit? Besteht hier ein Zusammenhang mit dem beschriebenen Moralisieren? Wenn die Schwellen der Kommunikation verschwinden (auch technisch), was sind die Konsequenzen?
“Transparenz ist das Schlagwort der zweiten Aufklärung.”, Byung-Chul Han
Ist mehr Transparenz (in Politik, Gesellschaft) wirklich immer besser? Die Gefahren der Transparenz (Byung Chul-Han). Das Panoptikon ist eigentlich offensichtlich kein Bild der Freiheit und dennoch wird Transparenz heute so verkauft.
Braucht Freiheit Intransparenz? Hilft Transparenz wenigstens Korruption zu verringern?Besteht ein Zusammenhang damit, dass wir in den westlichen Gesellschaften immer weniger auf die Reihe bekommen?
Wie sieht es mit Handlungsfähigkeit gegenüber individuellen Rechten aus?
»Demokratie ist eine träge Maschinerie, konzipiert, um Entscheidungen zu verlangsamen«, Herfried Münkler
Ist die prozessualisierte Langsamkeit nicht vielleicht in Summe doch schneller? Wie steht es um Konsensbildung vs. Konfrontation?
Wenn wir Menschen wie Kinder behandeln verhalten sie sich wie Kinder? Was ist vom »Nudgen« zu halten? Sind die Bürger zu blöd selbst zu denken aber doch schlau genug zu wählen — pflegen viele Eliten nicht ein paternalistisches Bild, das zutiefst undemokratisch und auch fundamental falsch ist?
Ist die klassische sozialdemokratische Idee »von der Wiege bis zur Bahre« einer der Bevormundung oder der Ermächtigung der Massen zur Selbstbestimmung? Muss man intervenieren um Chancengleichheit zu bekommen?
»Es ist ein Dilemma linker Politik, besonders an materieller Versorgung interessiert zu sein, aber keine Mechanismen anbieten zu können, die diese freiheitsfreundlich gewährleisten.«
Was sind die Schattenseiten der Aufklärung?
Gibt es katholische und protestantische Atheisten?
Was ist von Meritokratie zu halten? Der amerikanische Philosoph Michael Sandel sieht diese ja sehr skeptisch. Zurecht? Woran liegt Chancenungleich? Betreiben wir regelmäßig Survivorship Bias? Welche Rolle spielt das Glück?
Wie werden Rechte wahrgenommen und entwickeln sich über die Zeit und warum kann die Nutzung von Rechten zu Irritationen führen?
Was bedeutet Meinungsfreiheit. Mangelt es an Meinungsfreiheit oder an zivilisiertem Umgang? Was haben wir am Beispiel von Twitter über Zensur und staatliche Intervention gelernt? Welche Rolle spielen privatwirtschaftliche Internet-Plattformen? Wie können diese gesellschaftlich reguliert werden?
Wie spielen Krise und Freiheit zusammen? Wer hat die Deutungshoheit, was eine Krise ist und wer definiert die Konsequenzen? Ist dies ein Konflikt Alt gegen Jung? Wer setzt Prioritäten?
Wie hat sich der Begriff der Freiheit von John Stuart Mill bis zur heutigen Zeit verändert, ist diese Veränderung wünschenswert?
»Aus fundamentalen Abwehrrechten gegenüber staatlicher Gewalt und Willkür wurden ausufernde Anspruchsrechte, für deren Einlösung ein paternalistisch gedachter Staat verantwortlich gemacht werden soll. Aus dem Recht der Bürger, nach ihrem Glück zu streben, wurde längst die Pflicht des Staates, für dieses Glück zu sorgen. Dass in einer Demokratie die Bürger diesen Staat ausmachen und deshalb solche Forderungen an sich selbst adressieren müssten, wird gerne vergessen. Die Einsicht, dass es keine Rechte ohne Pflichten gibt, wird heute ziemlich einseitig interpretiert: Die Rechte des einen sind jedoch stets die Pflichten des anderen.«, Konrad Paul Liessmann
Was geschieht, wenn die Freiheit dazu führt, dass die Menschen die Freiheit abschaffen oder reduzieren wollen?
"Es funktioniert auch unglaublich viel."
Kritisieren wir auf hohem Niveau? ist das unhistorisch?
»Die Intellektuellen scheinen sich geradezu verschworen zu haben, uns immer wieder zu erzählen, wie schlecht die Welt ist, in der wir leben. Ich halte das für einen fürchterlichen Unsinn, eine wirkliche Lüge, die aber fast allgemein geglaubt wird. In der Zeit meiner Jugend, gab es in Deutschland, Österreich, Frankreich, England noch Sklaverei. Vor allem Frauen waren damals versklavt – als Haushaltsgehilfinnen, Köchinnen, Wäscherinnen usw. […] Daneben hat es fürchterliches Elend gegeben.«, Karl Popper
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
-
Episode 65: Getting Nothing Done — Teil 2
-
Episode 64: Getting Nothing Done — Teil 1
-
Episode 58: Verwaltung und staatliche Strukturen — ein Gespräch mit Veronika Lévesque
-
Episode 57: Konservativ UND Progressiv
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Episode 44: Was ist Fortschritt? Ein Gespräch mit Philipp Blom
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Episode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael Hartmann
Christoph Möllers
- Lehrstuhl Christoph Möllers
- Christoph Möllers, Werdegang
- Christoph Möllers, Freiheitsgrade, Suhrkamp (2020)
Fachliche Referenzen
- Norbert Bolz, Keine Macht der Moral, Matthes und Seitz Berlin (2021)
- Byung-Chul Han, Psychopolitik, S. Fischer (2014)
- Panopticon (Wikipedia)
- Nudging: Jesse Singal, The Quick Fix: Why Fad Psychology Can't Cure Our Societal Ills, Farrar, Straus and Giroux (2021)
- Von der Wiege bis zur Bahre — Sozialdemokratie
- The Free Press, Why we went to Twitter
- Marshall Matters (Spectator), Michael Shellenberger, The Censorship Industrial Complex (2023)
- Konrad Paul Liessmann, Lauter Lügen, Paul Zsolnay (2023)
- John Stuart Mill, On Liberty, Project Gutenberg (1859)
- Karl Popper, Ich weiß, dass ich nichts weiß – und kaum das (1991)
Sunday Dec 31, 2023
087 — Reflexionen über 2023
Sunday Dec 31, 2023
Sunday Dec 31, 2023
In dieser Episode reflektiere ich die wesentlichen Themen von 2023 und Podcast-Episoden, die ich aufgenommen habe.
Was gibt es ich Rückblick zu ergänzen?
Was habe ich gelernt, und wo habe ich Fehler gemacht oder bleiben große Unsicherheiten in der Einschätzung?
Ich bedanke mich für die vielen Zuschriften in diesem Jahr, und ich versuche auch in dieser Episode auf einige der von Ihnen genannten Themen einzugehen.
Referenzen
Monday Dec 11, 2023
086 — Climate Uncertainty and Risk, a conversation with Dr. Judith Curry
Monday Dec 11, 2023
Monday Dec 11, 2023
I recently read the book "Climate Uncertainty and risk" written by Dr. Judith Curry, who is one of the leading US climate scientists but also an important heterodox thinker. I loved her book, not only because of her take on climate change, but also because she covers a lot of essential topics that are applicable in other complex problems as well.
Judith Curry is president of Climate Forecast Applications Network (CFAN). Previously, she was professor and chair of the School of Earth and Atmospheric Sciences at the Georgia Institute of Technology and professor at the University of Colorado-Boulder in the department of aerospace engineering sciences program in the atmospheric and oceanic sciences and environmental studies program. Dr Curry published more than 200 reviewed scientific articles and gave 13 testimonials at US congressional hearings.
In our conversation we discuss about the state of climate and climate science. What role does uncertainty play in assessing climate change and climate risk? Why urgency in measures might be a disaster.
What role do carbon emissions play and can wind and solar energy help in mitigating climate change? What role does or should nuclear energy play? Do many prominent environmentalists hate nuclear even more than climate change?
However, uncertainty cuts both ways, what does this mean in terms of climate, tipping points, systemic attractors, regime shifts?
What role do natural effects play in climate change, like volcanoes (think of the year without summer)? How can we reduce vulnerability and why does deindustrialization and becoming poorer as a society not seem to be a clever way to handle complex risks? At the moment it rather seems that we are crippling our economy without reducing the footprint on the planet while at the same time reducing our resilience.
“There are no solutions, only tradeoffs.”, Thomas Sowell
What does resilience mean on a societal level and what can we do to achieve it? How is resilience connected to global existential risks?
"At that point we are making the environment worse, and doing nothing for the climate and we are messing up our economy over this crazy net zero stuff."
Is energy transition on the scale some countries attempt to do it, a risk far greater than risks related to climate change in the 21st century?
What are wicked problems (showing complexity, uncertainty and ambiguity)? Why do predict than act approaches (which work for tame problems) not work on wicked problems?
"Climate change is the mother of all wicked problems."
What is the utility of models in general and climate specifically?
“This is exactly what models are for—to serve as working hypotheses for further research.”, Ludwig von Bertalanffy
How do climate models work? What is a scenario and how can scenarios be of use in assessing climate change?
Why did we see such a heatwave this summer and autumn? What are likely reasons and what does the hot summer and August of this year tell us about anthropogenic climate change and the next decades?
How to deal with extreme risks that are unlikely, like a Carrington Event? What are microgrids and how could the help making a society more resilient? What is the difference and utility of caution, precaution and the precautionary principle? Why is the precautionary principle problematic and how could a proactionary principle helt?
What are principles of robust decision making? How do incrementalism and local decision making contribute? Is the seed — select — amplify (Meyer, Davis) idea and antifragility connected?
Why do we see deep quality problems and politicisation in science? How is gate keeping of major institutions abused to stop critical discussion, including top journals like Nature and Science? Why did cancel culture blossom in academia and create a toxic intellectual environment?
"The whole incentive system has become completely perverse."
Careerism, ideology or money? Which is harming science the most?
“Big Science may destroy great science, and the publication explosion may kill ideas. Ideas, which are only too rare, may become submerged in the flood.”, Karl Popper
Should we separate science and activism or is a scientist ethically required to become an activist under certain conditions?
"Once you became a political activist, it is game over for your credibility as a scientist."
However, being a scientist and activist for a politically popular topic is currently highly rewarded.
Can people handle complexity or should we simplify complex topics to easy to understand soundbites? And if so, who does the simplifying? Should we hide the scientific debate or even cancel it, to be able to send a simple message?
"In the old days, disagreement was the spice of academic debate and life. Now we are out to cancel our opponents."
References
Judith Curry
- Website and Blog of Dr. Judith Curry
- CV
- Judith Curry, Climate, Uncertainty and Risk, Anthem Press (2023)
- Judith Curry, Klima: Unsicherheit und Risiko (2023)
Other Episodes
-
Modeling
-
Episode 79: Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica Thompson
-
Episode 68: Modelle und Realität, ein Gespräch mit Dr. Andreas Windisch
-
Episode 53: Data Science und Machine Learning, Hype und Realität — Teil 1
-
-
Existential Threats
-
Episode 76: Existentielle Risiken
-
Episode 74: Apocalype Always
-
Episode 45: Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise?
-
Episode 42: Gesellschaftliche Verwundbarkeit, ein Blick hinter die Kulissen: Gespräch mit Herbert Saurugg
-
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Complex problems
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Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
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Episode 69: Complexity in Software
-
Episode 37: Probleme und Lösungen
-
Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
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Episode 27: Wicked Problems
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Episode 25: Entscheiden unter Unsicherheit
-
Episode 23: Frozen Accidents
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Science, Quality and Stagnation
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Episode 67: Wissenschaft, Hype und Realität — ein Gespräch mit Stephan Schleim
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Episode 65: Getting Nothing Done — Teil 2
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Episode 64: Getting Nothing Done — Teil 1
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Episode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!
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Episode 18: Gespräch mit Andreas Windisch: Physik, Fortschritt oder Stagnation
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Episode 16: Innovation und Fortschritt oder Stagnation?
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Other Reference
- Guinevere Glasfurd, The Year Without Summer: 1816 - one event, six lives, a world changed, Two Roads (2020)
- Thomas Sowell, Intellectuals and Society, Basic Books (2012)
- Christopher Meyer, Stan Davis, It's Alive: The Coming Convergence of Information, Biology and Business, Texere Publishing (2003)
- Björn Lomborg, False Alarm: How Climate Change Panic Costs Us Trillions, Hurts the Poor, and Fails to Fix the Planet, Basic Books (2020)
- Roger Pielke Jr. on Substack
- Carrington Event: Lloyds, Solar Storm Risk to the North American Electric Grid (2013)
- Karl Popper, The Myth of the Framework: In Defence of Science and Rationality, Routledge (2014)
Friday Nov 24, 2023
085 — Naturalismus — was weiß Wissenschaft?
Friday Nov 24, 2023
Friday Nov 24, 2023
An die Episode #83 über Robert Merton und die wissenschaftlichen "Normen" anschließend, möchte ich in der heutigen Episode eine weitere grundlegende Überlegung anstellen. Mertons Normen scheinen mir wichtige Eckpfeiler zu sein, wenn man moderne Wissenschaft verstehen möchte, aber es gibt noch eine Reihe weiterer Aspekte, die man bedenken sollte.
Einer davon ist die Idee des Naturalismus und auch dessen Beschränkungen. Dies ist insofern auch für die Einschätzung von Wissenschaft und wissenschaftlicher Erkenntnis für die großen Fragen der Zukunft von großer Bedeutung, weil es uns den Rahmen vorgibt, zu welchen Aspekten der Welt Wissenschaft im Allgemeinen und Naturwissenschaft im Besonderen Aussagen tätigen kann. Und zu welchen nicht.
Die Frage des Naturalismus ist also: was ist überhaupt der Gegenstand unserer Betrachtung, und wo sind die Grenzen der Wissenschaft? Und damit verbunden sind Materialismus, Universalismus (wie bereits erwähnt), die Frage, was Wahrheit und Objektivität bedeuten, methodische Zugänge wie Reduktionismus (Experiment) und systemisches Denken und Emergenz, wie sich das Zusammenspiel zwischen Beobachtung und Theorie verhält, was ein Naturgesetz konstituiert und ob es nun gelingen kann, scharf zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft zu unterscheiden. In dieser Episode werde ich mich auf die Themen: Reduktionismus, Materialismus und wie diese mit dem Naturalismus in Zusammenhang stehen, beschränken. Die anderen Themen vielleicht mal in einer zukünftigen Episode.
»Es gehört zu den methodischen Grundsätzen der Wissenschaft, dass man gewisse fundamentale Fragen nicht stellt. Es ist charakteristisch für die Physik, so wie sie neuzeitlich betrieben wird, dass sie nicht wirklich fragt, was Materie ist, für die Biologie, dass sie nicht wirklich fragt, was Leben ist, für die Psychologie, dass sie nicht wirklich fragt, was Seele ist. Wollten wir nämlich diese schwersten Fragen gleichzeitig stellen, während wir Naturwissenschaft betreiben, so würden wir alle Zeit und alle Kraft verlieren, sie lösbaren Fragen zu lösen. Auf der anderen Seite darf man sich nicht täuschen, dass das methodische Verfahren der Wissenschaft [...] wenn es sich über seine eigene Fragwürdigkeit nicht mehr klar ist, etwas Mörderisches an sich hat.«, Carl Friedrich von Weizsäcker
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 83: Robert Merton — Was ist Wissenschaft?
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Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
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Episode 55: Strukturen der Welt
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Episode 14: (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 2
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Episode 13: (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 1
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Episode 11: Ethik, oder: Warum wir Wissenschaft nicht den Wissenschaftern überlassen sollten!
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Episode 9: Abstraktion: Platos Idee, Kommunismus und die Zukunft
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Episode 6: Messen, was messbar ist?
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Episode 2: Was wissen wir?
Fachliche Referenzen
- Julien Offray de La Mettrie, L'Homme Machine / Der Mensch eine Maschine, erste Ausgabe 1747
- Ulrich Kühne, Der Mensch als Industriepalast, Telepolis (2010)
- Fritz Kahn, Gallerie (Der Mensch als Industriepalast)
- Naturalism / Philosophy
- Naturalism, Stanford Encyclopaedia of Philosophy
- Klaus Kornwachs, Philosophie der Technik (C.H.Beck Wissen) (2013)
Monday Nov 20, 2023
084 — (Epistemische) Krisen? Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
Monday Nov 20, 2023
Monday Nov 20, 2023
Der heutige Gesprächspartner ist wieder Jan David Zimmermann, was mich sehr freut! Jan ist Autor, Journalist und Wissenschaftsforscher, hat auch gerade ein neues und äußerst empfehlenswertes Buch herausgebracht — Lethe, Vom Vergessen des Totalitären. Außerdem ist er Redakteur beim Stichpunkt-Magazin.
Das heutige Thema ist »(Epistemische) Krisen?«.
Eine Anmerkung vorweg: wir haben die Episode vor dem Hamas-Terroranschlag aufgenommen. Wir beide sind von der darauf folgenden Welle des Antisemitismus in Europa, den USA und Australien zutiefst schockiert. Besonders erschreckend ist daran natürlich die Tatsache, dass zahlreiche antisemitische und unfassbar inhumane Äußerungen von Personen, die zuvor als Intellektuelle bezeichnet wurden, stammen — Personen, die an Unis unterrichten, in Medien arbeiten, oder in politischen Funktionen tätig sind. Hier findet sich leider wir ein Thema bestätigt, das ich in vergangenen Episoden angesprochen habe und auch in zukünftigen Episoden thematisieren werde: einen bedrückenden Verlust an intellektueller Redlichkeit und Qualität in wesentlichen gesellschaftlichen Institutionen wie etwa Universitäten.
Aber selbst wenn wir später aufgenommen hätten, hätte ich dieses Thema ohnedies noch nicht im Podcast aufgreifen wollen. Auch wenn die Eckpunkte dieses Konfliktes sehr klar sind, viele Details und Folgen sind es nicht. Den Grund habe ich in früheren Episoden schon mal erklärt: dieser Podcast beschäftigt sich ganz bewusst nicht mit aktuellen Themen. Ich möchte hier nicht im medialen Rennen um die knalligste Spekulation beteiligen. In der heutigen Medienlandschaft dominiert das Rauschen und erst, wenn der Lärm leiser geworden ist, oft nach einigen Jahren, kann man anfangen, solche Themen vernünftig und in der Tiefe aufzuarbeiten.
Daher habe ich auch erst in diesem Jahr begonnen, Covid als Thema langsam aufzugreifen und weitere Folgen sind in Vorbereitung.
Aber zurück zu dieser Episode: Was ist eine (epistemische) Krise? Mit welchen Transformationen haben wir seit 2020 zu tun? Fallen wir von einer Krise in die nächste, oder doch nicht? Warum ist der Krisenbegriff selbst schwierig? Wer definiert eigentlich, was eine Krise ist und wie groß sich diese darstellt, denken wir an die stete Aufrüstung der Worte um noch Gehör zu finden: zur gleichen Zeit, wie die IPCC-Szenarien mit dem letzten Bericht optimistischer werden, wird die Sprache aufgerüstet, aus dem Klimawandel wird die Klimakrise und nun die Klimakatastrophe. Was folgt als Nächstes?
Und die Krisen machen vor sich selbst nicht halt, denn diejenigen, die die Krisen ausrufen, unsere Institutionen und Universitäten, stecken selbst in einer schweren Krise. Wir erleben also vermeintlich multilple Krisen, und trotzdem fällt es der Gesellschaft schwer sich auf gemeinsame Momente zu einigen!
Ein Kristallisationpunkt des Diskurses ist das Intenet? Aber welche Rolle spielt es: ist es totalitär und radikal, verdummend oder eher das Gegenteil? Wird gar die Komplexität der Welt heute besser gespiegelt als je zuvor, nur gefällt dies manchen nicht, die sich zuvor in der Deutungshoheit gesehen haben?
Wie kann man der Gesellschaft komplexe Verhältnisse vermitteln?
“If you’re not confuse you’re not paying attention”, Tom Peters
Oder ist die Komplexität vielleicht nur ein Auswuchs, eine Täuschung der Verwirrungen des postmodernen Relativismus? Wer kann urteilen, oder besser: wem trauen wir Urteilskraft zu?
Intellektuelle Bescheidenheit und Umgang mit Fehlern und Fehleinschätzungen scheinen immer wesentlicher zu werden und sind dennoch selten zu finden.
»Das ist das Prinzip der dauernden Fehlerkorrektur: die Methode, dauernd nach Fehlern zu suchen und frühzeitig kleine und beginnende Fehler zu korrigieren. Diese Methode der rechtzeitigen Fehlerkorrektur zu verfolgen ist nicht nur eine Weisheitsregel, sondern geradezu eine moralische Pflicht: Es ist die Pflicht zur dauernden Selbstkritik, zum dauernden Lernen, zu dauernden kleinen Verbesserungen unserer Einstellung, unserer Urteile – auch der moralischen – und unserer Theorien. Hier wird das Können zum Sollen: wir können aus unseren Fehlern lernen; darum ist es unsere Pflicht, aus unseren Fehlern zu lernen.«, Karl Raimund Popper
Kann Selbstkritik als moralische Pflicht gelten? Wie sieht es mit Heinz von Foersters Beobachtung zweiter Ordnung aus, und welche Rolle spielt das ständige Reframen eigentlich klarer Sachverhalte? Müssen wir die Krise überwinden oder führt sie ohnedies zu neuen Bedingungen, die besser sind als zuvor?
Wie sieht es mit der sozialen Regulierung von Wissensformen aus, anders gesagt, was können wir von Seiten der wissensoziologischen Diskussion lernen? Gibt es so etwas wie illegitimes Wissen? Wie ist das Verhältnis zwischen Experten/Wissenschaftern und Politik?
Wir gehen dann noch etwas weiter ins 20. Jahrhundert zurück und kommen (metaphorisch) zu Thomas Kuhns Paradigmenwechsel und stellen die Frage: Wenn der Schleier gefallen ist, möchte man wieder in den Nebel zurück?
Was ist von Wissenschaftsskepsis zu halten? Ist dies ein Problem oder eine große Chance für unsere Gesellschaft?
Aller vermeintlicher Inklusivitätsbemühungen zum Trotz scheint das Gegenteil zu passieren und wir werden immer ambiguitätsintolerater. Aus »anything goes« wird »nothing goes«. Komplexe Menschen, die wichtige Beiträge für unsere Gesellschaft leisten, können in anderen Aspekte völlig irren, man denke an Wissenschafter wie Isaac Newton oder Kary Mullis.
Was können wir noch von Ernst von Glasersfeld, und Heinz von Foerster, den radikaler Konstruktivsten, lernen? Dann kommen wir auf die Frage, ob die Geisteswissenschaften sich an den Naturwissenschaften orientieren sollen? Wir vertagen diese Frage aber auf eine andere Episode.
Wie kommt es eigentlich in der Wissenschaft zur Meinungsbildung, welche Rolle spielen Epistemic Communities, und was ist von Gruppenbildung in der Wissenschaft zu halten? Pierre Bourdieu spricht vom Homo Academicus, Ludwig Fleck von Denkkollektiven.
In welchem Zusammenhang steht das zu den moderneren Formulierungen wie »Trust the Science« oder gar »Follow the Science«? Was ist die Triple Helix von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik?
Wie stehen diese Überlegungen zu der Tatsache, dass Fortschritt nur mit heterodoxem und orthodoxem Denken gemeinsam zu bekommen ist? Was bedeutet dies für Diversität in Wissenschaft und Eliten in Theorie und Praxis? Welchen Schaden richtet dabei das heute überall zu erlebende Pseudo-Qualitätsmanagement an?
»Nicht mehr die Wahrheit hat hier eine Macht, sondern was Macht über uns hat legitimieren wir theoretisch als das Wahre.«, Hans Blumenberg
Wie kann es gelingen, Fehlerkultur guter (!) Wissenschaft in die Politik mitnehmen? Dabei aber gleichzeitig nicht den Fehler von über-Rationalisierung zu begehen, also Wissenschaft als rationales Schild für Politik und Management zu missbrauchen?
»Viele Menschen lächeln über altmodische Wahrsager. Doch sobald die Hellseher mit Computern arbeiten, nehmen wir ihre Vorhersagen ernst und sind bereit, für sie zu zahlen.«, Gerd Gigerenzer
Dabei stelle ich wieder einmal die fundamentale Frage: wollen Menschen belogen, oder würde Wahrheit politisch belohnt werden? Ich glaube zweiteres, aber was ist Jans Meinung?
Zuletzt stellt sich die ernüchternde Frage, ob wir die Dimension eines großen Umbruches während des Umbruches überhaupt verstehen kann?
Wer die erste Episode mit Jan noch nicht gehört hat, unbedingt Nachhören!
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
-
Episode 79: Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica Thompson
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Episode 74: Apocalype Always
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Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
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Episode 47: Große Worte
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Episode 45: Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise?
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Episode 39: Follow the Science?
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Episode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael Hartmann
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Episode 37: Probleme und Lösungen
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Episode 27: Wicked Problems
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Episode 25: Entscheiden unter Unsicherheit
Jan David Zimmermann
- Homepage von Jan
- Jan David Zimmermann, LETHE. Vom Vergessen des Totalitären, als vobiscum (2023)
- Stichpunkt Magazin
- Facebook: Jan D. Zimmermann
- Instagram: j._zimmermann
Fachliche Referenzen
- Karl Popper: Das Elend des Historizismus. Mohr Siebeck, Tübingen 2003, S. XI [Vorwort zur deutschen Ausgabe]
- Reason TV, The Truth about Sweden's COVID Policy (2023)
- Uwe Pörsken: Plastikwörter. Die Sprache einer internationalen Diktatur. Klett-Cotta 2011 (ursprünglich erschienen: 1988)
- Mai'a K. Davis Cross, Rethinking epistemic communities twenty years later (2012)
- Ludwik Fleck, Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv, Suhrkamp (1980)
- Peter M. Haas, Introduction: Epistemic Communities and International Policy Coordination, International Organization, Vol. 46, No. 1, Knowledge, Power, and International PolicyCoordination (Winter, 1992), pp. 1-35
- Hyrum Lewis & Verlan Lewis, The Myth of Left and Right: How the Political Spectrum Misleads and Harms America, Oxford University Press (2022)
- Mitchell G . Ash, Wissenschaft und Politik als Ressourcen füreinander (2002)
- Hans Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie. Suhrkamp, Frankfurt a.M .1960, S.22.
- Gerd Gigerenzer, Risiko – Wie man die richtigen Entscheidungen trifft, Pantheon (2020)
Thursday Nov 02, 2023
083 — Robert Merton — Was ist Wissenschaft?
Thursday Nov 02, 2023
Thursday Nov 02, 2023
Diesmal gibt es eine kurze Episode, in der ich Ihnen am Ende zwei konkrete Fragen stellen möchte. Es gibt ein Online-Formular, wo ich Sie ersuche, Ihre Gedanken stichwortartig einzutragen, natürlich anonym. Wenn ich antworten soll, nennen Sie mir bitte optional eine E-Mail Adresse.
Es um zwei eng verwandte Fragen:
- Was ist Wissenschaft — was sind wesentliche Merkmale und Kriterien wissenschaftlicher Aussagen und Praktiken und
- Folgende der Gedanken, die ich in Episode 80 entwickelt habe: haben Sie für sich selbst Faustregeln oder Heuristiken entwickelt, die Ihnen helfen, zu entscheiden, ob Sie einem Experten vertrauen? Sind Aussagen glaubwürdig, für Sie von Relevanz?
Als Einstieg in die erste Frage, stelle ich die Normen oder Prinzipien vor, die Robert Merton im Jahr 1942 vorgeschlagen hat:
- Gemeinschaftlichkeit (Communism/Communality)
- Universalismus (Universalism)
- Uneigennützigkeit (Disinterestedness)
- Organisierte Skepsis (Organized skepticism).
Stimmen Sie diesen Prinzipien zu? Was fehlt? In welche Richtung sollte man weiterdenken? Bitte senden Sie mir Ihre Gedanken in diesem Formular!
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
-
Episode 67: Wissenschaft, Hype und Realität — ein Gespräch mit Stephan Schleim
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Episode 47: Große Worte
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Episode 39: Follow the Science?
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Episode 13: (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 1
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Episode 14: (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 2
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Episode 2: Was wissen wir?
Fachliche Referenzen
- Science and Pseudo-Science, Stanford Encyclopedia of Philosophy (2021)
- Robert K. Merton, Science and Technology in a Democratic Order, Journal of Legal and Political Sociology, 1: 115–126, 1942
- Lactose Intolerance (Britannica)
- Andrew Curry, Die Milch-Revolution, Spektrum der Wissenschaft (2013)
- Johan Norberg, Open: The Story of Human Progress, Atlantic Books (2021)
- Anna I. Krylov, The Peril of Politicizing Science, J. Phys. Chem. Lett. 2021, 12, 5371-5376
- Konrad Lorenz, Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit, Piper (1996)